Familienpackung
Zeiten, als Kinder erst dann zum Sport gegangen sind, als sie es auch allein konnten. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter je mit uns beim Turnen war. Sie hat uns hingebracht und abgeholt. Wenn überhaupt. Fertig. Mehr war nicht. Erstaunlicherweise benehmen sich Kinder auch meist besser, wenn Mama nicht in Rufnähe ist. Auch meine Kinder. Ich höre selten Klagen von anderen. Aber das tut man als Mutter natürlich auch nicht. Anderen Müttern sagen, dass ihre Kinder extrem nerven. Da muss man sich schon sehr mögen, um sich das zu trauen. Ansonsten gilt eine solche Äußerung als offene Kriegserklärung.
Nachdem der Mütterclan brav aufgeräumt hat, singen wir gemeinsam noch ein kleines Abschiedslied und klatschen ekstatisch in die Hände. Ich stehe ausgerechnet neben Karin, die in ihrem Leben wohl noch nie von der Erfindung des Deodorants gehört hat. Was diese Frau müffelt, ist unglaublich. Man könnte sie im völlig Dunkeln sofort anhand ihres Duftes aufspüren. Warum sagt ihr das keiner? Bin ich die Einzige, die das riecht? Na, wer weiß, vielleicht ist das ihre besondere Note oder sie ist vollkommen geschafft von der Weltraummaus.
Mark und ich fahren zum Kindergarten, er lässt endlich seine malträtierten Klicker los und wir holen Claudia ab. »Was machen wir jetzt?«, fragt sie eifrig. »Ihr könnt zusammen spielen«, sage ich und beschließe, am Nachmittag mal etwas für mich zu tun. Die hauseigene Animateurin hat heute frei. Definitiv. »Das ist langweilig«, nörgelt Claudia, »ich will nicht mit dem da spielen, der ist doof. Und klein.« Der doofe Kleine haut daraufhin seiner Schwester auf den
Kopf. Ich motze, beide heulen und mit diesem netten Duo fahre ich nach Hause.
Ich schaffe es, mir an diesem Nachmittag immerhin die Beine zu rasieren. Allerdings nicht, weil meine Kinder so reizend miteinander spielen, sondern weil ich sie geparkt habe. Vor der Glotze. Und das, nachdem Claudia Mark ihre liebste Barbie an die Schläfe gedonnert hat und er aus Rache getestet hat, ob Claudias Kopf härter als ein Duplostein ist. Bei uns gibt’s für die Kinder fast ausschließlich Kinderkanal. Seitdem zahle ich einigermaßen bereitwillig meine Gebühren. Man weiß wenigstens, dass die Kinder nicht dauernd von Schwachsinnswerbung berieselt werden. Fruchtzwerge, Barbie und Co. Eine halbe Stunde Super RTL weckt Begierden bei meiner Tochter wie bei mir ein mehrstündiger Schaufensterbummel. Natürlich ist mir klar, dass mein Sohn eigentlich noch zu klein für jede Art von Fernsehen ist, auch für den Kinderkanal, aber meine Beinbehaarung ist kurz davor, sich zu einem Fell zu entwickeln, und da ich kein Mufflon bin und auch keiner sein will, greife ich zum Kinderkanal. Man muss im Leben Prioritäten setzen.
Christoph kommt gegen sieben. Immerhin. Ich finde, eine gemeinsame Familienmahlzeit am Tag ist doch das Mindeste. Oft schafft er es erst nach acht aus dem Büro, und die Kinder sind dann entweder schon völlig durch den Wind oder längst im Bett. Er hat sich ein paar Akten mitgebracht. Blumen oder Geschenke wären mir lieber. »Du weißt, Andrea, im Moment gilt es. Wenn ich jetzt Gas gebe, werde ich bestimmt in diesem Jahr noch Partner.« Wie oft ich das schon gehört habe. Gähn. Ein neuer Text wäre auch mal schön. Wegen mir muss er sich nicht so abstrampeln.
Ich habe kein Problem damit, dass Christoph ein normaler, angestellter Rechtsanwalt ist und kein Partner. Mir ist ein Mann lieber, der wenigstens ab und an zu Hause ist. Er weiß das, tut aber trotzdem gerne so, als würde er all diesen Ehrgeiz nur für mich und die Kinder entwickeln. Die Debatte erspare ich uns heute. Die Fronten sind ja soweit geklärt. Zu dem Thema ist weiß Gott längst alles gesagt. Man soll sich nicht auf Gebieten abarbeiten, auf denen es aussichtslos ist. So viel habe ich immerhin in meiner Ehe gelernt. Toller Erkenntnisgewinn.
Christoph albert mit den Kindern, die sind netter, als sie es den ganzen Tag über waren, und es wird ein richtig gemütliches Abendessen. Papa ist der Held. Manchmal beneide ich ihn um die Rolle. Den lieben langen Tag draußen in der großen Welt und abends das Kontrastprogramm. Für Männer geht in den meisten Fällen eben beides. Wir wirken wie die Vorzeigefamilie aus den 60 ern. Mutti hat lecker Essen gemacht, die Kinder sitzen frisch gebadet und gecremt am Tisch und Papa erzählt lustige Anekdoten aus dem Büro. Dann gibt’s noch eine Geschichte für jedes Kind und gemeinschaftliches
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