Familienpackung
Zähneputzen. Ich darf den Tisch abräumen und die Küche säubern. Aber gleich gehört Christoph mir. Dachte ich. Leider sind da ja noch die Akten. Dass ich mal für ein paar muffige Akten sitzen gelassen würde, hätte ich noch vor einigen Jahren für absolut unmöglich gehalten. Die Zeiten ändern sich.
Das Ende vom Lied: Ich gucke Fernsehen, er arbeitet.
Gut, dass ab morgen mein neues Leben beginnt.
Im Bett mal wieder keine besonderen Vorkommnisse. Wie meistens. Ich schaue aus dem Fenster. Selbst der Himmel
sieht langweilig aus. Wir schlafen unterm Dach. Unser Reihenhaus ist quadratmetermäßig gesehen klein, hat aber Etagen, als wolle es im nächsten Leben ein Hochhaus werden.
Christoph schläft selig und schnarcht munter vor sich hin. Das Schnarchen, so viel habe ich mittlerweile kapiert, entwickelt sich parallel zur Beziehung. Je länger die Beziehung andauert, umso lauter und konstanter das Schnarchen. Als gäbe es zu Beginn einer neuen Liebe ein eingebautes Kontrollsystem im Manne. Ein Schnarchunterdrückungselement, damit wir Frauen uns sicher fühlen und glücklich, weil wir glauben, eins der seltenen Exemplare erwischt zu haben, das keinerlei nächtliche Geräusche von sich gibt. Mit der Zeit wächst, oft gleichzeitig mit dem Absinken der akuten und wilden Leidenschaft, das Schnarchen. Immerhin ein Geräusch im Schlafzimmer. Leider ein ziemlich mieser Ersatz. Schnarchen ist äußerst lästig. Es macht einen so mürbe.
Ich gebe Christoph einen Knuff. Keinen ganz sanften, die nützen bei ihm nichts, sondern einen mittelschweren. Er grunzt auf, dreht sich schon fast mechanisch auf die Seite und gibt Ruhe. Eine trügerische Ruhe. Das ist ja das ganz Fiese am Schnarchen. Man denkt, es ist geschafft, und dann geht’s munter und ungebremst weiter. Mit einer winzigen Verzögerung. Noch ein Knuff. »Ich bin erkältet, was soll ich machen«, meckert der schläfrige Mann an meiner Seite, der sich ganz sicher ist, nur zu schnarchen, wenn er kränkelt. Mein Mann. Er sieht gut aus, wie er so da liegt. Da gibt es ja solche und solche. Es macht Spaß, ihn anzuschauen. Er ist keiner der Kerle, die mit offenem Mund im Bett liegen. Und wenigstens ist er kein Knirscher. Zähneknirscher sind ja fast schlimmer als Schnarcher. Wenn sie vor dem Schlafengehen
eine Beißschiene anlegen müssen, so ein kleines Plastikteil, dann vergeht einem ja nun echt alles.
Ich liege wach. Lausche dem Geschnarche und denke nach. Wie bin ich bloß hier gelandet? Ich denke an meine Liste unten in der Küchenschublade. Ab morgen wird sich alles ändern. Schluss mit dem Gejammer. Eine Nacht darf Christoph noch völlig ahnungslos und unbehelligt neben mir rumschnarchen. Aber dann, mein Lieber, wird sich hier einiges ändern. Mit dieser erquickenden Vorstellung schlafe ich ein.
Werde gegen drei Uhr morgens wach, weil mir siedendheiß einfällt, dass Ende der Woche ja die große Christoph-Überraschungsparty steigt. Er hat am Freitag Geburtstag und wollte wie immer auf keinen Fall feiern – »Kinderkram!!« –, und da habe ich beschlossen, ihn zu überraschen. Immerhin 40 Leute habe ich geladen. Die halbe Nachbarschaft, die Kanzlei und natürlich alles, was wir ansonsten noch an Freunden und Familie haben. Was mache ich bloß zu essen? Und mache ich den Kram selbst oder bestelle ich was? Eindrucksvoller ist ja ein selbst gemachtes Büfett. Mist, ich muss ja auch noch Getränke besorgen, eine der wenigen Aufgaben, die normalerweise von Christoph erledigt werden.
Im Traum ersticke ich in einem Berg ranzigen Kartoffelsalats. Selbst gemacht. Ein prima Omen für die Party.
Tag 2
Der nächste Tag, Tag X, der Aufbruch ins wilde Leben, beginnt vielversprechend. Als würde mein kleines privates Umfeld ahnen, was Sache ist. Alle sind friedlich. Niemand haut, niemand brüllt. Es herrscht himmlische Ruhe. Wunderbar. Während ich den Kindergartenproviant zubereite, Äpfelchen zerteile und Brote schmiere, werfe ich zur Bestätigung meines Vorhabens nochmal einen schnellen Blick auf die Liste in meiner Küchenschublade.
Ich will:
mehr Spannung
mehr Sex
mehr Anerkennung
schlankere Schenkel.
Und alles bitte schnell. Ganz schnell.
Ich glaube, da fehlt noch was. Ich ergänze:
prima Stimmung
Christoph ist erstaunt. Über meine angeblich ungewohnt gute Laune. Üblicherweise bin ich morgens wirklich nicht direkt das, was man in Hochform nennt. Aber es ist wahr: Man kann sich mental puschen. Mit einem kleinen Stück Papier. Hätte ich das früher
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