Farben der Herzen
knisterte vor Spannung. Sie ermahnte sich, dass sie eigentlich vor ihm weglaufen, in die entgegengesetzte Richtung rennen sollte – doch sie stellte fest, dass sie es nicht konnte. Obwohl sie wusste, dass er in illegale Aktivitäten verstrickt war und vermutlich bald verhaftet werden würde, konnte sie ihm diesen einen Wunsch nicht abschlagen.
“Also gut”, sagte sie zögerlich.
Die Aussicht darauf, einen Abend mit ihm zu verbringen, machte Colette Angst.
Angst wegen der Dinge, die er sagen würde – und wegen der Dinge, die sie nicht sagen konnte.
12. KAPITEL
“Wenn mehr Menschen stricken und häkeln würden, gäbe es weniger Kriege auf der Welt – und sehr viel weniger Aggressivität im Straßenverkehr!”
Lily Chin, www.lilychinsignaturecollection.com
Lydia Goetz
D er Gebetsschal-Strickkurs lief gut. Vor allem Susannah lernte sehr schnell und begeisterte sich fürs Stricken. Bevor sie ihr erstes Projekt überhaupt beendet hatte, kaufte sie schon ein Muster und Garn für einen Pullover, den sie für ihre Tochter Chrissie stricken wollte.
Alix war mir in dem Kurs eine große Hilfe. Und – wie immer – entfaltete das Stricken seine beruhigende Wirkung. Alix schien viel entspannter, viel optimistischer, und ich hatte seit ein paar Wochen aus ihrem Mund nichts Negatives über die Hochzeit mehr gehört.
Colette gelang es, die grundlegenden Stricktechniken zu erlernen. Doch ich musste zugeben, dass sie sich nicht so leicht daran gewöhnte, wie ich gehofft hatte. Bei Neulingen kann das manchmal passieren. Meistens versteht ein Anfänger nach ein paar einleitenden Anweisungen, wie es geht, und schon bald scheint es, als hätte er sein ganzes Leben lang gestrickt. Doch es gibt auch Fälle, die sich jeden kleinen Fortschritt erkämpfen müssen und schnell den Mut verlieren, wenn sie erkennen, wie langsam sie im Vergleich zu den anderen vorankommen. In der letzten Stunde hatte ich Colette erklärt, dass jeder Mensch sein ganz eigenes Lerntempo hat, und sie daran erinnert, dass es kein Wettbewerb ist. Ich war davon überzeugt, dass sie sich, je länger sie strickte, immer wohler fühlen würde.
Margaret hatte sich dem Kurs angeschlossen. Ich hoffte, dass es ihr helfen würde, wenn sie sich zu den anderen gesellte und neue Freundschaften schloss. Und ich hatte gedacht, dass die Konzentration auf das Stricken sie beruhigen würde – vor allem, weil sie in letzter Zeit überhaupt keine Handarbeit mehr machte. Der Überfall auf Julia lag mittlerweile mehr als einen Monat zurück, und meine Schwester war immer noch davon besessen, den Schuldigen zu finden – wobei sie alles andere um sich herum vergaß. Ich konnte nicht sagen, wie oft sie bereits bei der Polizei angerufen hatte, um sich nach dem neuesten Stand der Ermittlungen zu erkundigen.
An manchen Tagen war ihr Verhalten unerklärlich. Aus heiterem Himmel verlor sie die Geduld, wurde wütend und griff nach dem Telefon. Die Art, wie sie mit der Polizei sprach, war mir unangenehm – egal, was sie über Detective Johnson sagte, ich konnte nicht glauben, dass der Mann ein Drückeberger war.
Ich bemühte mich, geduldig zu sein. Und während ich allmählich verstand, wie sie sich fühlte, gelangte ich zu der Erkenntnis, dass es das Beste für Julia wäre, wenn meine Schwester ihre Wut und ihre Besessenheit bezwang und sich davon löste. Aber Margaret weigerte sich, das zu tun. Sie wollte erst Ruhe geben, wenn der Mann, der ihre Tochter verletzt hatte, vor einem Richter stand und verurteilt wurde.
Der Strickkurs fand wöchentlich am späten Mittwochnachmittag statt, damit Chrissie für Susannah und Colette im Blumenladen einspringen konnte. Sie hatte in letzter Zeit öfter im
A Good Yarn
vorbeigeschaut, und ich genoss unsere Unterhaltungen. Chrissie besaß einen guten Sinn für Humor und hatte vielfältige Interessen. Wir hatten lange über das Wiederaufleben traditioneller Künste gesprochen, die vor allem von Frauen beherrscht wurden. Chrissie hatte diese Entwicklung zum Thema eines Essays für Kunstgeschichte gemacht, und ich fand das sehr aufregend. Stricken war so vieles,
konnte
so vieles sein. Auch Kunst.
An jenem Nachmittag im späten März kamen Susannah und Colette – bewaffnet mit ihrer Wolle und ihren Stricknadeln – zusammen in den Laden. Sie setzten sich sofort an den Tisch, auf dieselben Plätze, die sie immer einnahmen, und zogen ihre angefangenen Handarbeiten hervor. Mir fiel auf, dass Susannah beinahe fertig war, während Colette erst ein
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