1836 - Fratze des Unheils
Eric Fischer ruderte mit langsamen Bewegungen. Er wollte nichts überstürzen, denn noch war es warm, und er hatte keine Lust, auch jetzt noch zu schwitzen. Er wollte sich etwas erholen und hoffte dabei auf den schwachen Wind, der ihn umschmeichelte und der etwas kühler geworden war.
Es war ein Abend, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Die Geräusche des Tages waren verschwunden, und Fischer ruderte der Mitte des Sees entgegen.
Er liebte dieses Gewässer. Der Tegernsee war für ihn der See überhaupt. Nicht so groß. Sehr übersichtlich, von wunderschönen kleinen Orten umgeben, wobei er Rottach-Egern am meisten liebte, denn hier wohnte er auch in einem tollen Hotel.
Eric Fischer zog die Ruder noch einige Male durch, dann holte er sie ein und ließ sich treiben. Er hatte die Mitte des Sees zwar noch nicht erreicht, aber die Entfernung zum Ufer war weit genug. So würde er jetzt anfangen zu meditieren. Sich einfach nur hingeben, sich treiben lassen, eine halbe Stunde die Stille genießen. Keiner war da, der ihn störte, niemand sprach ihn an und wollte etwas von ihm. Er hatte sich nicht umsonst praktisch versteckt in seinem einwöchigen Urlaub, in dem er auch phasenweise sein Handy abstellte.
Einfach nur Ruhe haben, über das Leben nachdenken und auch über seine Karriere. Er wusste nicht, ob er sich auch weiterhin so reinhängen sollte, wie er es getan hatte. Zu einem Burn-out wollte er es nicht kommen lassen.
Fischer schloss die Augen. Es gefiel ihm, das Plätschern der Wellen zu hören. Er spürte auch das Schaukeln des Boots. Wenn er nicht achtgab, würden ihm die Augen zufallen und er versank in einen tiefen Schlaf. Schlafen konnte er in diesem Hotel wunderbar. Das hätte er nicht gedacht. Im Job hatte er das nicht erlebt, aber hier konnte er sich in den Nächten wirklich ausruhen.
Das weiche Schaukeln lullte ihn regerecht ein, aber er schrak zusammen, als es heftiger wurde. Als hätte jemand gegen sein Boot gestoßen, um ihn aus seinem Schlummer zu reißen.
Eric öffnete die Augen.
So etwas wie ein Adrenalinstoß jagte durch seinen Körper. Plötzlich schlug sein Herz schneller, und er wunderte sich darüber, denn es war ja nicht viel passiert. Nur eben das heftige Schaukeln hatte ihn irritiert, weil er nicht wusste, was der Grund war. Es war kein großes Boot in seiner Nähe vorbei gefahren, und trotzdem schaukelte der Kahn.
Warum?
Fischer hatte sich zwar nicht rücklings hingelegt, aber schon eine bequemere Haltung eingenommen. Die gab er jetzt wieder auf, denn er wollte wissen, was passiert war und wieso das überhaupt hatte geschehen können.
Er schaute auf die Wasserfläche zu beiden Seiten des Kahns. Sie hatte noch nicht den dunklen Ton angenommen und wirkte sehr klar, sodass er weit in das Wasser hineinschauen konnte.
Das Boot schaukelte. Es fiel ihm nicht leicht, sich zu konzentrieren. Er wusste auch nicht, was er suchte, aber er bekam plötzlich große Augen, als er zur rechten Seite schaute und sah, dass sich unter der Oberfläche etwas abmalte.
Er wusste nicht, wie tief dieses Etwas unter ihm lag, aber es war zu sehen, und plötzlich kroch ein Gefühl in ihm hoch, das sein Herz erreichte und es zu umklammern schien. Es war das Gefühl der Angst.
Urplötzlich hatte es ihn erfasst und ließ sein Herz schneller schlagen. Dafür gab es eigentlich keinen Grund, und doch schaffte er es nicht, sich dagegen zu wehren. Die Angst war da und die Ursache dieses Etwas in der Tiefe.
Aber was schwamm dort?
Er wusste es nicht. Es war da, aber es war nicht genau zu erkennen. Es sah kompakt aus, aber es ging nicht unter. Es war kein Gebilde aus Tang oder Schlamm, das war etwas anderes, und er wusste nicht, ob es lebte oder schon tot war.
Aber es schwamm.
Und Eric Fischer wollte es genau wissen. So weit wie möglich beugte er sich über Bord. Allerdings irritierte ihn der Wellenschlag, sodass er nicht klar sah.
Die Furcht blieb, ebenso wie der Druck, der sich um seine Brust gelegt hatte. Er wusste nicht, was sich dort unten befand, aber es war nicht normal, da war er sich sicher.
Und dann war es klar!
Im Wasser schwamm ein Gesicht. Es gab keinen Zweifel. Er sah es deutlich. Das war ein Gesicht. Eine Fratze sogar, und nichts störte jetzt mehr seinen klaren Blick.
Die Fratze war nicht glatt. Sie musste aus verschiedenen Versatzstücken zusammengesetzt worden sein, und sie strahlte etwas Bösartiges ab.
Eric Fischer hatte das Gefühl, dass sie im nächsten Augenblick aus dem Wasser und in sein
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