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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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enträtseln, die dort angeschrieben standen. Als sie merkte, daß sie nur einzelne Buchstaben lesen konnte, holte sie Muriel zu Hilfe.
    »Muriel«, sagte sie, »lies mir einmal das Vierte Gebot vor.
    Steht da nicht irgend etwas davon, daß man niemals in einem Bett schlafen soll?«
    Muriel buchstabierte es mit einiger Mühe vor sich hin.
    »Da steht: ›Kein Tier soll in einem Bett schlafen mit Leintüchern«, verkündete sie schließlich.
    Kleeblatt hatte sich sonderbarerweise nicht daran erinnert, daß im Vierten Gebot von Leintüchern die Rede war. Und Schwatzwutz, der gerade wie von ungefähr, in Begleitung von zwei oder drei Hunden, vorbeikam, konnte die ganze Sache ins rechte Licht rücken.
    »Ihr habt also schon gehört, Genossen«, sagte er, »daß wir Schweine jetzt in den Betten im Farmhaus schlafen? Und warum auch nicht? Ihr habt doch nicht etwa angenommen, daß es jemals einen Erlaß gegen Betten gegeben hat? Ein Bett bedeutet lediglich einen Schlafplatz. Ein Strohhaufen im Stall ist, richtig besehen, ein Bett. Der Erlaß richtete sich gegen Leintücher, die ja eine Erfindung des Menschen sind. Wir haben die Leintücher von den Betten im Farmhaus entfernt und schlafen zwischen Decken. Und es sind äußerst bequeme Betten! Aber auch nicht beque mer, als es für uns nötig ist, das laßt euch gesagt sein, Genossen, in Anbetracht all der geistigen Arbeit, die wir derzeit leisten müssen. Ihr wollt uns doch nicht unserer Ruhe berauben, oder, Genossen? Ihr wollt doch nicht, daß wir zu müde sind, um unseren Pflichten nachzukommen? Es wünscht sich doch bestimmt keiner von euch Jones zurück?«
    Die Tiere versicherten ihn in diesem Punkt sogleich, und davon, daß die Schweine in den Betten im Farmhaus schliefen, war keine Rede mehr. Und als einige Tage später verkündet wurde, daß die Schweine von nun an eine Stunde später aufstehen würden als die anderen Tiere, da gab es auch darüber keine Beschwerden.
    Im Herbst waren die Tiere wohl müde aber glücklich. Hinter ihnen lag ein hartes Jahr, und nach dem Verkauf eines Teils des Heus und Korns waren die Futtervorräte für den Winter nicht allzu reichlich, doch die Windmühle entschädigte sie für alles.
    Sie war jetzt fast halbfertig. Auf die Ernte folgte eine trockene Schönwetterperiode, und die Tiere schufteten härter denn je, weil sie es der Mühe wert fanden, sich den lieben langen Tag mit dem Schleppen der Steinblöcke abzuplacken, wenn sie dadurch die Mauern noch einen Fuß hochziehen konnten. Boxer kam sogar nachts heraus, um eine oder zwei Stunden allein im Licht des herbstlichen Vollmonds zu arbeiten. In ihrer freien Zeit gingen die Tiere rings um den halbfertigen Bau herum und bewunderten die Stärke und Senkrechtheit der Mauern und staunten darüber, daß sie es tatsächlich geschafft haben sollten, etwas so Imposantes zu bauen. Nur der alte Benjamin mochte sich für die Windmühle nicht begeistern, wenngleich er, wie üblich, nichts weiter als die rätselhafte Bemerkung von sich gab, daß Esel ein langes Leben hätten.
    Der November kündigte sich mit tobenden Südwestwinden an. Die Bauarbeiten mußten eingestellt werden, weil es zum Anmischen des Zements jetzt zu naß war. Schließlich kam eine Nacht, in der der Sturm so heftig wütete, daß die Farmgebäude in ihren Fundamenten schwankten und etliche Schindeln vom Dach der Scheune herabgeblasen wurden. Die Hühner erwachten kreischend vor Entsetzen, denn sie hatten alle gleichzeitig geträumt, daß sie in der Ferne ein Gewehr hätten losgehen hören. Am Morgen kamen die Tiere aus ihren Ställen und mußten feststellen, daß der Fahnenmast umgeweht und eine Ulme am Fuß des Obstgartens wie ein Rettich ausgerissen worden war. Kaum hatten sie dies bemerkt, da entrang sich jeder Tierkehle ein Schrei der Verzweiflung. Ein entsetzlicher Anblick bot sich ihren Augen. Die Windmühle lag in Trümmern.
    Einhellig stürzten sie zur Unglücksstätte. Napoleon, der sonst nur selten aus dem Schrittempo herausfand, raste allen voran. Ja, da lag sie, die Frucht all ihrer Mühen, dem Erdboden gleichgemacht, die Steine, die sie so mühselig gebrochen und herangeschleppt hatten, ringsum verstreut. Zuerst versagten ihnen die Worte, und sie standen da und starrten traurig auf das Durcheinander von zerschlagenen Steinen. Napoleon lief schweigend auf und ab und beschnüffelte hin und wieder den Boden. Sein Ringelschwanz hatte sich versteift und peitschte heftig hin und her, ein Zeichen intensiven Nachdenkens bei

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