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Farm der Tiere - illustriert

Titel: Farm der Tiere - illustriert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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wo niemand es wagte, seine Meinung zu sagen, wo überall wilde, knurrende Hunde herumstöberten, und wo man mitansehen mußte, wie die eigenen Genossen in Stücke gerissen wurden, nachdem sie empörende Verbrechen gebeichtet hatten. Sie hegte keinen Gedanken an Ungehorsam oder Revolte. Sie wußte, daß sie alle - selbst so wie die Dinge lagen - jetzt viel besser dran waren als zu Jones' Zeiten, und daß es vor allem galt, die Rückkehr der Menschen zu verhindern. Was auch geschehen mochte, sie würde die Treue halten, hart arbeiten, die ihr erteilten Befehle ausführen und Napoleons Führerschaft anerkennen. Trotzdem aber war dies nicht, worauf sie und mit ihr all die übrigen Tiere gehofft und wofür sie sich geschunden hatten. Nicht hierfür hatten sie die Windmühle gebaut und den Kugeln aus Jones' Flinte getrotzt. Dies etwa waren ihre Gedanken, wenn es ihr auch an Worten mangelte, sie auszudrücken.
    Zuletzt stimmte sie ›Tiere Englands‹ an, weil ihr dies irgendwie ein Ersatz für die Worte zu sein schien, die sie nicht finden konnte. Die übrigen Tiere, die um sie her saßen, fielen mit ein, und sie sangen das Lied dreimal hintereinander - sehr melodisch, aber langsam und kummervoll, so wie sie es nie zuvor gesungen hatten.
    Sie hatten es eben zum dritten Mal zu Ende gesungen, da näherte sich ihnen, von zwei Hunden begleitet, Schwatzwutz mit gewichtiger Miene. Er erklärte ›Tiere Englands‹ durch einen Sondererlaß Napoleons für abgeschafft. Von Stund an dürfe es nicht mehr gesungen werden.
    Die Tiere waren bestürzt.
    »Aber warum?« rief Muriel.
    »Es wird nicht mehr gebraucht, Genossin«, sagte Schwatzwutz steif. » ›Tiere Englands‹ war das Lied der Rebellion. Aber die Rebellion ist jetzt durchgeführt. Die Hinrichtung der Verräter heute nachmittag war ihr Schlußakt. Der äußere wie der innere Feind ist besiegt. In ›Tiere Englands‹ haben wir unsere Sehnsucht nach einer zukünftigen besseren Gesellschaft ausgedrückt. Aber diese Gesellschaft ist jetzt verwirklicht worden. Dieses Lied hat also eindeutig keinen Sinn mehr.«
    So erschrocken sie auch waren, hätten einige der Tiere vielleicht doch protestiert, aber in diesem Moment stimmten die Schafe ihr übliches Geblöke »Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht« an, und dies dauerte etliche Minuten lang an und setzte jeder Diskussion ein Ende.
    So erklang ›Tiere Englands‹ nie mehr. Dafür hatte Minimus, der Dichter, ein anderes Lied komponiert, das mit den Worten anhob:
    Farm der Tiere, dir gilt mein Eid:
    Nie treffe dich durch mich ein Leid!
    und dies wurde nun jeden Sonntagmorgen nachdem Hissen der Flagge gesungen. Doch irgendwie schien es den Tieren, daß weder die Worte noch die Melodie an ›Tiere Englands‹ heranreichten.

Kapitel VIII
    Als einige Tage später das Entsetzen über die Hinrichtungen abgeflaut war, erinnerten sich manche Tiere - oder glaubten, sich zu erinnern -, daß das Sechste Gebot verfügte: ›Kein Tier soll ein anderes Tier töten.‹ Und obgleich es keiner im Beisein der Schweine oder der Hunde sagen mochte, herrschte doch das Gefühl, daß die stattgefundenen Hinrichtungen damit nicht in Einklang standen. Kleeblatt bat Benjamin, er möge ihr das Sechste Gebot vorlesen, und als Benjamin, wie üblich, sagte, er weigere sich, sich in derartige Angelegenheiten einzumischen, da holte sie Muriel. Und Muriel las ihr das Gebot vor. Es lautete: ›Kein Tier soll ein anderes Tier töten ohne Grund.‹ Irgendwie waren die letzten zwei Worte dem Gedächtnis der Tiere entfallen. Doch sie sahen jetzt, daß das Gebot nicht gebrochen worden war; denn es gab eindeutig allen Grund, die Verräter zu töten, die sich mit Schneeball verbündet hatten.
    Dies ganze Jahr hindurch arbeiteten die Tiere sogar noch härter, als sie es im Vorjahr getan hatten. Die Windmühle mit doppelt so starken Mauern wie vorher wiederaufzubauen und sie zum festgesetzten Termin zu vollenden, dazu noch die reguläre Farmarbeit, das war schon eine ungeheure Mühe. Es gab Tage, da schien es den Tieren, als arbeiteten sie länger und stünden dabei nicht besser im Futter als zu Jones' Zeiten. Sonntagmorgens las ihnen dann Schwatzwutz von einem langen Papierstreifen, den er mit seiner Schweinshaxe auf dem Boden festhielt, Zahlenkolonnen vor, die bewiesen, daß die Produktion von Futtermitteln jeder Art - je nachdem - um 200 Prozent, um 300 Prozent oder um 500 Prozent angestiegen war. Die Tiere sahen keinen Grund, ihm nicht zu glauben, zumal sie sich nicht

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