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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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vorwurfsvoll angesehen. Dann
aber hatte Francis gelächelt, er hatte sich mit ihr versöhnen wollen. Er hatte
ihre Hand genommen und wieder von dem Häuschen in San Francisco angefangen und
wie anders alles für sie hätte laufen können. Doch Anne-May hatte ihre Hand
weggerissen.
    „Hör endlich auf mit diesem Mist!“, hatte sie gesagt.
„Ich kann es wirklich nicht mehr hören. Wieso redest du dauernd von dieser
verdammten Fahrt und irgendeinem Wunschtraum, in dem du glücklich im Westen
wohnst?“
    Francis war aufgestanden. „ Weil ich das alles hätte haben können !“, hatte er geschrien. „Ich war so kurz davor. Alles
hätte anders sein können. Ich hätte anders sein können!“
    „Du spinnst“, hatte sie gesagt. „Hör endlich auf, in
der Vergangenheit zu leben.“
    Dann war sie gegangen, und Francis hatte begriffen,
dass die Zeit um Johns Geburt, als sie sich wieder nahe gewesen waren,
endgültig vorbei war.
     
    Zwei weitere Dezemberwochen zogen vorüber, der Umzug
nach New York rückte näher. Francis hatte Spätschicht gehabt, es war bereits
nach Mitternacht, als er nach Hause ging. Er trug den schwarzen Dufflecoat, den
ihm Anne-May letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Trotzdem fror er, er
musste sich erkältet haben. Seine Nase lief, und hustend stapfte er durch den
Schnee. Am liebsten hätte er sich krankgemeldet, aber er konnte sich keine
Fehltage leisten.
    Als Francis den Trailer betrat, sah er seine Mutter
in der Küche stehen. Sie war dabei, Wasser aufzusetzen, im Hintergrund lief
das Radio. Ihre Gestalt wirkte schmal, das Gesicht faltig und weiß. Die
Aufbruchsstimmung des letzten Jahres war nur ein Zwischenhoch gewesen, ihre
Stelle bei Wal-Mart hatte sie längst aufgeben müssen. Depressiver Schub. In
ihrer Seele waren wieder die Vorhänge zugezogen, morgens schaffte sie es kaum
aus dem Bett. Wenn Francis von der Arbeit nach Hause kam, hatte er oft Angst,
sie wie damals in der Klinik regungslos auf dem Boden liegen zu sehen.
    „Wie geht's dir?“, fragte er.
    Seine Mutter versuchte zu lächeln. Er stellte sich
neben sie und fuhr ihr über den Rücken, dabei fiel ihm ein, wie sie früher
immer zusammen gekocht hatten. Einen Moment überlegte er, ihr alles zu geben,
was er gespart hatte, und einfach nach New York zu gehen, zu Anne-May und John.
Aber dann musste er an ihre Krankheit denken und wie sie von Doblinski gelinkt
und von Ryan verlassen worden war, und ihm wurde bewusst, dass er sie hier
niemals im Stich lassen konnte.
    Sie goss das heiße Wasser in eine Tasse und warf
einen Teebeutel hinein. Francis gab ihr einen Kuss auf die Wange und ging nach
nebenan zu Toby. Sein Nachbar begrüßte ihn mit einer Umarmung, dann setzten sie
sich auf die Couch. Toby hatte seine kurzen blonden Haare dunkel gefärbt, er
trug eine Mütze, Sweatshirt und Jeans. Noch immer schrieb er Texte und Lyrics
in ein Notizbuch und hasste leidenschaftlich jeden Jungen, den seine kleinen Schwestern
zu Hause anschleppten.
    Während sie fernsahen, beschwerte sich Francis
darüber, dass er in letzter Zeit so viele Spätschichten habe. Toby holte
Filterpapier und Tabak aus einer Tüte und drehte sich eine Zigarette. „Was ist
eigentlich mit dem College?“, fragte er. „Ich dachte, du wolltest dich
bewerben.“
    Francis nickte, das war damals sein Plan gewesen,
als er die High School geschafft hatte. Doch nun, da seine Mutter keinen Job
mehr hatte und Ryan ihnen nichts mehr gab, musste er fast rund um die Uhr
arbeiten. Eigentlich tat er das sogar ganz gern, aber es reichte einfach nicht.
Obwohl er nie zu spät kam und Überstunden machte, würde er niemals genug
verdienen, um selbst für seinen Sohn sorgen zu können oder hier rauszukommen.
Und wenn seine Mutter noch einmal in die Klinik musste und Ryan seine Drohung
wahr machte und nicht dafür bezahlte oder wenn er selbst krank wurde, dann
standen sie am Abgrund.
    Als Toby sich das alles angehört hatte, stieß er ihn
an. „Tja, Kleiner, wie's aussieht, musst du dich wohl auch für Geld
abschlachten lassen.“
    Francis verzog nur das Gesicht. Er hatte schon öfter
daran gedacht, sich zu verpflichten. Der Krieg selbst war ihm egal, doch der
Gedanke, plötzlich viel Geld zu verdienen und danach studieren und auf einem
Campus leben zu dürfen, schien unendlich verlockend. Er blickte zum Fernseher.
„Das Problem ist nur, dass beides scheiße ist“, sagte er. „Ich will nicht
sterben, aber ich will auch nicht zurückkommen und dann bis zu meinem Tod

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