Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
Vom Netzwerk:
erinnerten und an die Zeit, als er sie jeden Tag in der Klinik
besucht hatte. Aus irgendeinem Grund fielen ihm ihre sprechenden Mäuse mit den
englischen Adelsnamen ein, und er musste lächeln. Danach hörte er noch
mehrmals hintereinander Lose
Yourself von Eminem. Die Zeilen brannten
sich einmal mehr in sein Hirn:
     
    Look, if you had one shot,
and one opportunity
    To seize everything you
ever wanted in one moment
    Would you capture it or
just let it slip?
     
    Francis stand auf und
ging ins Bad. In den letzten Wochen hatte er sich einen Bart stehen lassen, nun
nahm er den Plastikrasierer des Hotels und rasierte ihn ab. Seltsam, wie
vertraut er jetzt wieder aussah. Er fuhr mit den Fingern über sein nacktes
Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Das Kinngrübchen seines Vaters, die
hellblauen Augen seiner Mutter, die schwarzen Haare, die er sich hatte ganz
kurz schneiden lassen, damit er am nächsten Tag, falls er zum Rekrutierungsbüro
nach Somerville fahren musste, einen guten Eindruck machte. Einen Moment
spannte er seine Muskeln an; all diese nutzlose Kraft.
    Dann starrte er auf das Spiegelbild und vergaß alles
um sich herum. Übrig blieb nur das Wahre, Elementare. Ich bin Francis Dean, dachte er. Ich bin
Vater, ich habe einen Sohn. Noch
immer war dieser Gedanke so neu und unfassbar für ihn wie beim ersten Mal, als
er in seinem Kopf aufgetaucht war.
    Francis löschte das Licht und nahm das Kuvert mit
dem Geld. Vor der Tür blieb er stehen. Sekundenlang schaffte er es einfach
nicht, die Klinke runterzudrücken und jetzt wirklich da rauszugehen und zu
spielen. Dann verließ er das Zimmer und fuhr mit dem Aufzug nach unten.
     
    4
     
    Wie hypnotisiert lauschte Francis dem Lärm des
Casinos und tauchte ein in diese Welt aus leuchtenden Automatenbildschirmen,
blechernen Melodien und Stimmengewirr. Eine junge Frau rempelte ihn im
Vorbeigehen an und entschuldigte sich. Francis entdeckte am Ende des Saals die
Anzeigetafeln mit den aufblinkenden Roulettenummern. Er schlängelte sich
zwischen all den Touristen und Spielern durch und erreichte den etwas
abseitsstehenden Tisch vom letzten Mal. Dort wurden wieder Zehntausende Dollar
auf scheinbar willkürliche Kombinationen gesetzt, und wenn die Spieler verloren
hatten, lächelten sie nur leicht bedauernd und setzten die nächsten
zehntausend.
    Francis trat an den Tisch heran. Seinem gefälschten
Ausweis nach war er inzwischen fast vierundzwanzig, doch der Croupier wollte
ihn nicht mal sehen. Francis wartete, bis ein Platz frei wurde, dann setzte er
sich. Die anderen Gäste in ihren Maßanzügen sahen ihn genauso herablassend an
wie beim letzten Mal, auch diesmal trug er Jeans und T-Shirt, nur die Chucks
waren neu. Er hatte sein ganzes Geld in einen einzelnen blauen Chip im Wert
von fünftausend Dollar wechseln lassen, und den legte er jetzt auf das
schwarze Feld. Die anderen schauten interessiert zu, einige setzten ebenfalls
auf Schwarz. Francis wollte nicht länger warten. Wenn sein Traum wirklich
bedeutungslos war, verlor er zwar das ganze Geld auf einmal, aber dann ging es
wenigstens schnell, und er konnte diesen Gedanken, der ihn seit zweieinhalb
Jahren quälte, endlich vergessen.
    Den Gedanken: Was, wenn der Traum vielleicht doch
wahr werden würde?
    Francis spürte ein Kribbeln. Entweder war sofort
weg, wofür er wie ein Verrückter gearbeitet hatte, oder er hatte binnen weniger
Sekunden das Doppelte. Was für ein Wahnsinn. Jetzt, da er mit seinem eigenen
Geld spielte und nicht mit dem von Ryan, wurde ihm erst richtig bewusst, was es
wert war.
    Die Kugel rollte, wurde langsamer. Francis atmete
unregelmäßig, er konnte nicht hinsehen und wartete einige elend lange
Sekunden, bis er spürte, wie ihm jemand auf die Schulter klopfte. Er machte die
Augen wieder auf, die Kugel lag im Fach der Achtundzwanzig, Schwarz. Erleichterung.
Nun hatte er zehntausend.
    Francis nahm das ganze Geld und setzte es wieder auf
Schwarz. Er hörte ein Raunen. Jemand schüttelte den Kopf. Der Croupier warf die
Kugel, die nächsten Sekunden beobachteten die Spieler, wie sie im Kessel
umhersauste. Als einige noch schnell gesetzt hatten, rief der Groupier: „Rien
ne va plus!“
    Die Kugel landete auf der Dreiunddreißig. Noir,
Schwarz. Nun hatte Francis zwanzigtausend. Er behielt fünf und setzte fünfzehn,
erneut auf Schwarz.
    Es kam Schwarz. Unfassbar!
    Vor Glück bekam er eine Gänsehaut. Nun hatte er
schon fünfunddreißigtausend. Genauso viel wie beim letzten Mal, als er

Weitere Kostenlose Bücher