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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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... Es ist...“ Francis wollte ihr von
damals erzählen, als Marcus ihm in der Schulcafeteria diesen unsicheren Blick
zugeworfen hatte, oder wie er Brad Jennings gesehen hatte, als er nach der
Beerdigung allein in seinem Wagen saß und weinte. Doch er sagte nichts.
    Dass er bald einen Sohn haben würde, machte ihn inzwischen
stolz. Nur ganz selten stiegen in Francis noch Zweifel auf, ob ihm nicht etwas
Grundsätzliches fehlte, um ein guter Vater zu sein, und dann fragte er sich, ob
das bei allen aus der Samenbank so war. Diese Überlegungen behielt er jedoch
für sich, niemals hätte er Anne-May davon erzählt. Die Schwangerschaft hatte
sie einander wieder näher gebracht. Sie war gern mit ihm zusammen, ein paarmal
waren sie im Kino gewesen, und oft gingen sie essen. Vor kurzem hatte sie eine
Panikattacke gehabt, sie würde das mit dem Baby nicht hinkriegen, und als er
sie beruhigt hatte, hatte sie ihm einen Kuss gegeben, einfach so. Nicht, dass
sie wieder zusammen wären, aber Francis hatte ihr klargemacht, dass er nicht
wie sein Vater war, sondern dass er Verantwortung übernahm, dass er für sie da
sein und an sich arbeiten würde. Sie vertraute ihm, das wusste er. Zwar hatte
sie damals gesagt, dass sie nichts für ihn empfinden könne, aber jetzt, wo sie
einen gemeinsamen Sohn bekamen, änderte sich das vielleicht. Je öfter er Anne-May
sah, desto mehr liebte er sie. Er brauchte immer ein paar Tage, um sich von
einem Treffen mit ihr zu erholen, denn das nahm ihn jedes Mal mit, aber das
konnte er ihr natürlich nicht sagen.
    Vor kurzem war er jedoch neben ihr auf dem Bett
gesessen und hatte einfach nur zugesehen, wie sie dalag und las. Auf einmal
hatte sie das Buch zugeklappt. Sie war mit ihren Fingern seinen Rücken
entlanggefahren. „Du hast ein richtig männliches V-Kreuz“, hatte sie
gemurmelt.
    „Gefällt dir das?“, hatte Francis gefragt, und sie
hatte genickt. Mehr war nicht gewesen, aber danach hatte er das Gefühl gehabt,
dass sie sich doch noch ein bisschen was aus ihm machte.
     
    Das Problem waren ihre Eltern. Seit Anne-May wieder
zurück war, versuchten sie ihre Tochter noch stärker abzuschirmen als zuvor.
Sie benutzten die Schuldgefühle, die der Tod von Anne-Mays Bruder in ihr
ausgelöst hatte, um über sie zu bestimmen. Und Francis schienen sie zu hassen.
Schon bei der ersten Begegnung hatten sie das Gesicht verzogen und kaum mit
ihm geredet. Sie hatten sich nicht mal die Mühe gemacht, ihre Enttäuschung zu
verbergen. Und sie stellten ihn bloß, wo sie konnten, indem sie dauernd über
Dinge sprachen, von denen er keine Ahnung hatte; Geschichte, Opern, politische
Debatten oder Faulkners Gesamtwerk. Wenn er dann nichts wusste, warfen sie sich
diesen vielsagenden Blick zu. Wieso durften sie bestimmen, was wichtig war?
Wenn er sie nach Trent Reznor, Banksy oder Joss Whedon gefragt hätte, wäre
ihnen dazu genauso wenig eingefallen. Die Gardeners wollten seine Beziehung zu
ihrer Tochter zerstören, und oft nervten sie damit auch Anne-May. Gemeinsam
stellten sie sich dann vor, wie es gewesen wäre, wenn er damals im Casino
gewonnen und dieses Häuschen in San Francisco gekauft hätte, weit weg von ihren
Eltern.
    Während Anne-May ungeduldig auf ihr Essen wartete,
fragte sie ihn, ob er morgen mit zur Schwangerschaftsgymnastik komme. Leider
musste er ihr schon wieder einen Korb geben, denn da war er bereits bei
Randolph's Haushaltswaren eingeplant, seinem anderen Nebenjob. Francis
arbeitete, sooft er konnte, in der restlichen Zeit lernte er. Er würde diesen
verfluchten High-School-Abschluss irgendwie hinkriegen und die Gene seines
Vaters widerlegen. Er würde kein egoistischer Versager werden.
    Die Hälfte des Geldes sparte er. Francis sagte
niemandem, wofür, es war sein eigenes, geheimes Projekt. Er hatte bereits
tausendvierhundert Dollar zusammengehabt, als seine Mutter einen Unfall baute.
Sie hatten einen alten schrottreifen Buick gekauft, und gleich am zweiten Tag
war seine Mutter damit jemandem hinten reingefahren. Der Schaden hatte fast
fünfhundert gekostet, doch inzwischen hatte er wieder etwas beiseitegelegt.
    „Hast du Grover mal wieder gesehen?“, fragte ihn
Anne-May. „Weißt du, was er macht?“
    „Er hat das Studium geschmissen und ist jetzt Pornodarsteller.“
    „Echt?“
    Francis schüttelte den Kopf. „Quatsch.“
    Grover studierte nun in Yale, zusammen mit Luke Fabianski
aus ihrer Klasse, der dort ein Stipendium bekommen hatte.
    Während er Anne-May davon erzählte, wurde

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