Fatal Error
er uns die Unternehmenspolitik vorschreiben würde. Noch dazu in eine so widerliche Richtung.
»Das ist meine Firma«, sagte Guy leise. »Und ich entscheide, was damit geschieht.«
»Irrtum«, sagte Tony. »Ich besitze achtzig Prozent der Aktien. Ich entscheide, wo es langgeht. Du tust, was dir gesagt wird.«
Guy blickte mich an. In seinen Augen glomm Wut. »Das ist nicht akzeptabel«, sagte er.
Tony gab den Blick seines Sohnes zurück. »So und nicht anders wird es gemacht.«
Das Schweigen schien eine Ewigkeit zu dauern. Hoyle und ich beobachteten die beiden Männer. Wir hatten damit nichts zu tun. Es ging um weit mehr als die Kontrolle über Ninetyminutes.
Dann schloss Guy die Augen, langsam, bedächtig. Er atmete tief durch und öffnete sie wieder. »In diesem Fall trete ich zurück.«
»Guy!« Der Ausruf rutschte mir heraus, bevor ich ihn zurückhalten konnte.
»Tut mir Leid, Davo. Ich habe keine Wahl. Ich bin entschlossen, Ninetyminutes zur besten Site in Europa zu machen. Wenn wir kein Kapital aufnehmen, können wir es nicht schaffen. Dann sind wir einfach eine unter vielen Seiten mit einem besonders schmuddeligen Image.«
»Aber eine, die Geld bringt«, sagte Tony.
»Ehrlich gesagt, ist mir das egal«, erwiderte Guy.
Tony wog die Bemerkung ab. »Das ist dein Problem«, sagte er, »aber du solltest es dir noch mal überlegen.«
»Du solltest das.«
»Ich bin bis Donnerstag in London«, sagte Tony. »Bis Donnerstagmorgen hast du Zeit, dich zu entscheiden. Die Sitzung ist geschlossen, Gentlemen.«
Ninetyminutes war im vierten Stock einer umgebauten Metallfabrik in einer ruhigen Straße in Clerkenwell untergebracht. Die Jerusalem Tavern lag auf der anderen Straßenseite. Am Abend war sie gewöhnlich gerammelt voll, doch zu dieser Zeit am Nachmittag präsentierte sie sich kühl und leer. Guy holte zwei Bier für uns, ein Pint Bitter für mich, eine Flasche tschechisches Bier für sich.
»Mistkerl«, sagte er und schüttelte den Kopf.
»Er wird schon nachgeben«, sagte ich.
»Nie.«
»Er muss. Ohne dich kann er mit Ninetyminutes nichts anfangen.«
»Ihm wird schon was einfallen.«
»Es muss einen Ausweg geben«, sagte ich. »Irgendeinen Kompromiss.«
»Vielleicht«, sagte Guy. »Vielleicht ließe sich damit dieser Monat überstehen. Aber im nächsten stünden wir wieder vor demselben Problem. Er würde mir Vorschläge für die Leitung der Firma machen, von denen er genau wüsste, dass sie mir nicht gefallen. Eine Weile würde er sie mir unter die Nase reiben, dann würde er sie durchsetzen. Um zu zeigen, wer schlauer ist, wer der bessere Geschäftsmann ist, wer die Macht hat.« Er trank einen Schluck Bier. »Hast du früher Mensch ärgere dich nicht mit deinem Vater gespielt?«
»Ich weiß nicht. Vermutlich.«
»Wer hat gewonnen?«
»Keine Ahnung. Ich, er, ich weiß nicht.«
»Ich habe es oft mit meinem Vater gespielt, und er hat immer gewonnen. Das machte mich richtig wütend, als ich vier war. Und noch wütender, als ich älter war und mir klar wurde, dass Mensch ärgere dich nicht ein reines Glücksspiel ist. Nur wenn man schummelt, kann man ständig gewinnen. Ziemlich traurig, wenn ein Vater schummeln muss, um seinen vierjährigen Sohn zu besiegen.« Guy starrte auf das Etikett seiner Bierflasche, als stünde die Lösung des Problems dort geschrieben. »Ich
wüsste, dass es ein Fehler war, sein Geld zu nehmen.«
»Wir hatten keine Wahl.«
Er seufzte. »Vermutlich nicht.«
Zusammengesunken saß er vor seinem Bier, mit trübem Blick, fast verzweifelt; von dem Schwung, der ihn in den letzten Monaten beseelt hatte, keine Spur mehr. Eine Aura von Mutlosigkeit umgab ihn und schlug auch mir auf die Stimmung. Diese Verwandlung erschreckte mich.
Guy und ich hatten es in den letzten Monaten nicht leicht gehabt. Lange Stunden, Abende, Nächte, Wochenenden hatten wir durchgearbeitet. Und eine Menge erreicht. Die Site in einer so kurzen Zeitspanne online zu bekommen, war ein kleines Wunder gewesen. Die Mittel aufzubringen, ein Team von engagierten Mitarbeitern zusammenzustellen - das alles hatte mir viel Spaß gemacht. Und ich hatte in dieser Zeit viel über mich und Guy gelernt. Ich wollte nicht, dass das alles nun zu Ende war.
»Wir müssen kämpfen, Guy. Wir haben zu lange und zu hart gearbeitet, um einfach aufzugeben. Was ist mit unseren Plänen, die großen europäischen Fußballligen aufzunehmen? Mit dem E-Commerce? Mit den zehn Millionen Pfund, die Orchestra Ventures ausspucken will?
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