Fatal Error
Gestern warst du noch Feuer und Flamme.«
»Ich weiß. Gestern habe ich auch noch gedacht, Ninetyminutes sei meine Firma. Gestern habe ich meinen Vater und die heutige Sitzung verdrängt. Ich habe einfach so getan, als gäbe es sie nicht. Aber ich habe mich selbst hinters Licht geführt. Es gibt sie sehr wohl, und ich kann mich nicht vor der Wirklichkeit verstecken.«
»Wir haben doch schon vorher in solchen Schwierigkeiten gesteckt, und du hast nie aufgegeben. Du hast immer einen Weg aus dem Schlamassel hinaus gefunden. Wenn es nach mir gegangen wäre, das weißt du genau, hätten wir schon längst aufgegeben.«
Guy lächelte.
»Ich habe viel von dir gelernt«, fuhr ich fort. »Ich habe gelernt, an dich zu glauben. Erzähl mir ja nicht, dass ich mich getäuscht habe.«
Guy zuckte die Achseln. »Tut mir Leid.«
»Hat es mit deinem Vater zu tun? Wäre es jemand anders, würdest du doch nicht einfach klein beigeben.«
»Ich gebe nicht einfach klein bei«, fuhr er mich wütend an. Dann hatte er sich wieder im Griff. »Nein, du hast schon Recht. Es hat mit meinem Vater zu tun. Ich kenne ihn. Er ist entschlossen, aus Ninetyminutes meine Niederlage und seinen Triumph zu machen. Und er hat alle Trümpfe in der Hand. Wie üblich.«
»Gib nicht auf.«
»Tut mir Leid, Davo. Das hab ich schon getan.«
Ich blickte ihn an. Er meinte es ernst.
Schweigend saßen wir da. Ich hatte das Gefühl, dass um mich herum alles einstürzte, woran wir in den letzten Monaten so hart gearbeitet hatten. Als hätte Tony Jourdan den Pfeiler eingerissen, der alles hielt. Es war so verdammt unfair.
»Wir müssen unseren Leuten Bescheid sagen«, meinte ich.
»Kümmer du dich darum. Ich kann das jetzt nicht. Geh nur, ich bleibe hier.«
So ließ ich ihn zurück, in seine Stimmung wie in eine dunkle Wolke gehüllt.
Am folgenden Tag - Dienstag - ließ sich Guy nicht im Büro sehen. Ich rief in seiner Wohnung in Wapping an. Keine Antwort. Dreimal versuchte mein Kontaktmann bei Orchestra Ventures, mich zu erreichen, doch ich ging nicht ans Telefon.
Nervös trommelte ich mit den Fingern auf dem Schreibtisch und fragte mich, was zu tun sei, als Ingrid herüberkam. Ingrid Da Cunha kannte Guy fast so lange wie mich, war aber erst zwei Monate bei Ninetyminutes. Sie war als Chefredakteurin der Website zu uns gekommen und hatte sich rasch unentbehrlich gemacht. Sie war jemand, der das Team zusammenschweißte. Ich mochte sie und hielt viel von ihrer Meinung.
»Wir steigen also ins Centerfold-Geschäft ein?«, sagte sie.
»Du. Ich nicht.«
»Du solltest mitmachen. Wirtschaftsprüfer des Monats. Mr. Oktober. Wir könnten dich gut gebrauchen.«
»Danke.«
»Bei meinen Vorfahren bin ich natürlich die Idealbesetzung für diesen Job. Copacabana Babe. Schwedisches Aupairmädchen. Ich kann mit allem dienen.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ingrid hatte große blassblaue Augen, ein offenes, freundliches Lächeln und dichtes, kastanienbraunes Haar. Aber ich hatte sie schon im Badeanzug gesehen, und obwohl sie nicht schlecht aussah, hatte sie als Model keine Chance.
Das Lächeln entging ihr nicht. »Warum lachst du? Klar,
mein Hintern ist ein bisschen dick. Und meine Oberschenkel! Aber ich kann mich jetzt auf Kosten der Firma operieren lassen. Es ist nur eine Frage der Umverteilung des Fetts. Tony zahlt das. Mein Vater besorgt mir einen Schönheitschirurgen in Rio. Du wirst mich nicht wiedererkennen.«
»Wie war’s mit Wachstumshormonen?«
»Was soll das heißen? Ich bin einsfünfundfünfzig. Einszweiundsechzig, wenn ich die richtigen Schuhe anhab.« Sie boxte mich auf den Oberarm.
»Au!« Wenn Ingrid zuschlug, tat es weh. »Freu dich nicht zu früh. Ich denke, Ninetyminutes wird nicht mehr tun, als Links zu einem kleinen schmuddeligen Studio in Los Angeles einzurichten. Du musst deine Talente weiterhin auf den Fußball ausrichten.«
»Arbroad gegen Hamilton Ademicals null zu null«, sagte Ingrid und lieferte die verblüffende Imitation eines Radiosprechers. Ingrid hatte einen Akzent, wie ich ihn noch nie gehört hatte, obwohl sie wahrscheinlich wie jede Frau auf der Welt sprach, die eine schwedische Mutter, einen brasilianischen Vater und eine britische Erziehung hatte. Sie wurde ernst. »Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ihr das nicht verdient.«
»Niemand von uns verdient es.«
»Tony gibt doch nicht nach, oder?«
»Ich weiß nicht. Vermutlich nicht. Aber wir wollen versuchen, ihn umzustimmen. Wir können nicht kampflos
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