Faust: Der Tragödie erster Teil
Türe?
ALTMAYER:
Dahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug stehn.
MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch):
Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?
FROSCH:
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
MEPHISTOPHELES:
Ich stell es einem jeden frei.
ALTMAYER (zu Frosch):
Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.
FROSCH:
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den
Tischrand bohrt):
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
ALTMAYER:
Ach, das sind Taschenspielersachen.
MEPHISTOPHELES (zu Brander):
Und Ihr?
BRANDER:
Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein!
(Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht
und verstopft.)
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert):
Ich muß gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
MEPHISTOPHELES (bohrt):
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
ALTMAYER:
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gästen
Wär es ein bißchen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
ALTMAYER:
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
(Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind.)
MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebärden):
Trauben trägt der Weinstock!
Hörner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und genießt!
ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas
läuft):
O schöner Brunnen, der uns fließt!
MEPHISTOPHELES:
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
(Sie trinken wiederholt.)
ALLE (singen):
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!
MEPHISTOPHELES:
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht!
FAUST:
Ich hätte Lust, nun abzufahren.
MEPHISTOPHELES:
Gib nur erst acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde und wird zur
Flamme):
Helft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!
MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend):
Sei ruhig, freundlich Element!
(Zu den Gesellen.)
Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
SIEBEL:
Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer!
Es scheinet, daß Ihr uns nicht kennt.
FROSCH:
Laß Er uns das zum zweiten Male bleiben!
ALTMAYER:
Ich dächt, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn.
SIEBEL:
Was, Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
MEPHISTOPHELES:
Still, altes Weinfaß!
SIEBEL:
Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen?
BRANDER:
Wart nur, es sollen Schläge regnen!
ALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen):
Ich brenne! ich brenne!
SIEBEL:
Zauberei!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei!
(Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.)
MEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebärde):
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seid hier und dort!
(Sie stehn erstaunt und sehn einander an.)
ALTMAYER:
Wo bin ich? Welches schöne Land!
FROSCH:
Weinberge! Seh ich recht?
SIEBEL:
Und Trauben gleich zur Hand!
BRANDER:
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
(Er faßt Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben
die Messer.)
MEPHISTOPHELES (wie oben):
Irrtum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
(Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander.
SIEBEL:
Was gibt s?
ALTMAYER:
Wie?
FROSCH:
War das deine Nase?
BRANDER (zu Siebel):
Und deine hab ich in der Hand!
ALTMAYER:
Es war ein Schlag, der ging durch alle
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