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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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zwischen parkenden LKWs.
    „Besoffenes Schwein“, murmelte Chris wütend und fuhr übervorsichtig
weiter. Fehlte gerade noch, dass der ihm in den Wagen lief. Aufmerksam
beobachtete er den Straßenrand, entdeckte schließlich einen hellen Fleck, einen
Körper, der an einer Hauswand zusammengesunken war.
    Muss ganz schön geladen haben, dachte er. Hat nicht mal ´ne Jacke an
bei dem Regen. Verrückter Kerl!
    Kerl? Irgendwas … dieser Gang, diese Gestalt … Egal! Auch eine
besoffene Frau ging ihn nichts an. Badewanne und Whisky gingen ihn was an … Und
wenn die Frau gar nicht betrunken war? … Also gut, von der nächsten
Telefonzelle aus würde er die Polizei anrufen. Wieso nahm er auch nie sein
Handy mit? Er musste es ja nicht einschalten, aber in so einem Fall … Wo mochte
in dieser gottverlassenen Gegend eine Telefonzelle sein? Gab es überhaupt noch
Telefonzellen?
    Und wieso war die Frau hier? In diesem Viertel gab es
Handwerksbetriebe, Lagerhallen, Speditionen, Dienstleistungsbetriebe aller Art,
aber nur einen einzigen Wohnblock, und der war drei Straßen entfernt. Ansonsten
keine Kneipe, kein Kiosk, nichts, wo sich freitagnachts Menschen aufhielten.
    „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Dieses Mal trat Chris die Bremse voll
durch. „Du lernst es nie Sprenger! Nie! Wieso kümmerst du dich nicht um deinen
eigenen Mist?“
    Hinter dem Wagen stoben Wasserfontänen empor. Der alte schwarze Nissan
kam schlingernd zum Stehen. Krachend warf er den Rückwärtsgang ein und gab Gas.
In der Einfahrt zu einem Möbellager würgte er hektisch den Motor ab und sprang
nach draußen. Sofort schoss ihm ein stechender Schmerz bis in die rechte Wade.
Diese verfluchten Schuhe!
    Kaum zehn Meter von ihm entfernt hockte die Gestalt, triefend vor Nässe.
Turnschuhe, Jeans, weiße Bluse. Die Leuchtreklame von „Frielingsdorf KG,
Autolackiererei“ über ihr tauchte die Szene in diffuses blaues Licht.
    „Hallo, Sie!“, rief Chris und humpelte näher.
    Der Kopf der Gestalt fuhr hoch, ihr Körper presste sich gegen die
Hauswand, als wollte sie hineinkriechen. Dann zog sie beide Arme über den Kopf.
    Tatsächlich eine Frau, erkannte er jetzt. Was tat sie hier? Vielleicht
eine Verrückte?
    Der Wind trieb eine Plastiktüte über den Bürgersteig vor das
Einfahrtstor des Möbellagers. Das klatschende Geräusch ließ die Frau heftig
zusammenfahren. Regen rann Chris in den Hemdkragen, lief ihm kalt in den
Nacken. Als er sich vor die Gestalt hockte und deren Handgelenke umfasste,
spürte er, wie Wasser durch das dünne Leder seiner Schuhe drang.
    „Was ist mit Ihnen? Kann ich Ihnen helfen?“ Er wollte die Arme
wegziehen, aber die Frau hielt mit erstaunlicher Kraft dagegen. Also doch eine
Verrückte?
    Leise, bemüht, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen, sagte
Chris: „Na, kommen Sie. Ich tu´ Ihnen doch nichts!“
    Die Tüte rutschte weiter, verfing sich an einem LKW-Reifen, blähte
sich auf und fiel schließlich in sich zusammen. Noch einmal zog Chris mit
sanfter Gewalt an den Armen. Zunächst senkten sie sich nur widerstrebend, dann
aber rutschten sich schlaff herunter. Zwei riesengroße, fiebrig glänzende Augen
starrten Chris an. Flackernde Angst im Blick, Panik. Dann sah er die blutige
Schramme am Kinn. Die Haut über dem linken Wangenknochen schimmerte eigenartig.
Sogar im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung waren rote Striemen zu erkennen,
die sich um den schlanken Hals zogen. Unter dem zerrissenen Ärmel der Bluse
zeigte sich eine klaffende Wunde.
    „Gottverdammt!“, brachte Chris hervor. „Wer hat das getan? Welches
Schwein hat das getan?“
    Werd jetzt nicht panisch, Sprenger! Bleib um Himmels willen ruhig,
ganz ruhig. Sekundenlang kämpfte er mit seinem Entsetzen, das nach Polizei und
Notarzt rief. Und immer noch diese riesengroßen Augen, die nicht aufhörten, ihn
anzustarren. Zwei Unterteller aus weißem Porzellan.
    „Okay“, sagte Chris dann und merkte selbst, wie brüchig seine Stimme
klang, „okay. Ich bringe Sie ins Krankenhaus!“
    Die Augen begannen zu flackern, und die Hände der Frau krallten sich
in die Ärmel seines Sakkos. „Nein, nein! Nicht … Krankenhaus … Nicht!“ Ihre
Stimme war überraschend klar. „… Sie finden … mich … kein Krankenhaus.“
    „Hören Sie, Sie sind verletzt und brauchen Hilfe!“
    „Nein …“ Der Kopf der Frau pendelte hin und her. „… muss … hier weg …
Karin … Karin hat …“
    Chris umfasste den pendelnden Kopf mit beiden Händen. „Ruhig,

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