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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Er drückte seinem Bruder die Augen zu und sagte: »Ein tapferer Mann.« Pascoe sah ihn an, und seine Augen schimmerten. »Er hat mir das Leben gerettet, Sir.«
    »Das hat er.« Bolitho stand langsam auf und fühlte dabei, wie Schmerz und Erschöpfung ihn zu überwältigen drohten. »Ich hoffe, Sie werden sich immer seiner erinnern.« Er machte eine Pause. »So wie ich.«
    Pascoe sah in forschend an, und ein paar Tränen rannen ihm dabei über die schmutzbedeckten Backen. Aber er sprach mit fester Stimme: »Ich werde ihn nie vergessen. Niemals!«
    Allday meldete: »Man hat den französischen Admiral gefangen, Käpt’n.«
    Bolitho drehte sich um; Jammer und Verzweiflung über die furchtbaren Verluste durchrannen ihn wie ein Feuerstrom. Erst die Jagd mit all ihren Enttäuschungen, und nun die vielen Toten. Aber Lequiller hatte überlebt!
    Er musterte den kleinen Mann, der zwischen Leutnant Hicks und Tomlin stand. Er hielt sich krumm und trug einen Bart, ein dünnes Männchen, dessen beschmutzte Uniform ihm viel zu groß schien.
    Bolitho mußte wegschauen, da es ihm unmöglich war, den Ausdruck ungläubigen Staunens auf Lequillers Gesicht zu ertragen. Er fühlte sich plötzlich beschämt. Im Kriege war es besser, wenn der Feind kein Gesicht hatte.
    »Bringen Sie ihn unter Bewachung auf die
Impulsive
.« Er wandte sich zum Niedergang. Seine Leute jubelten ihm zu, Hände, manche davon blutbedeckt, streckten sich aus, um seine Schulter zu berühren, als er wortlos an ihnen vorbeiging.
    Auf dem Achterdeck der
Hyperion
fand er Inch, der – einen Arm in der Schlinge und den zerschlitzten Rock wie ein Cape umgehängt – auf ihn wartete. Inchs Anblick trug mehr dazu bei, seine aufgewühlten Gefühle zu beruhigen, als er für möglich gehalten hätte.
    Leise sagte er: »Ich hatte Ihnen doch wohl befohlen, nach unten zu gehen?«
    Inch zeigte seine Pferdezähne in einem mühsamen Grinsen. »Ich dachte, es würde Sie interessieren, Sir: der Kommodore war während der ganzen Schlacht ohne Besinnung. Aber jetzt ist er wieder hellwach und verlangt Brandy!«
    Bolitho ergriff Inchs heile Hand, aber dessen Gesicht verschwamm vor seinen Augen. »Und er soll ihn haben, Mr. Inch!«
    Er übersah Gossetts breites Grinsen und die ausgelassen herumspringenden Kanoniere. Das Schiff war ohne Masten und lag tief im Wasser. Er fühlte sein Leid fast wie eigenes.
    Dann stülpte er seinen Hut über die rebellische Haarlocke und sagte mit fester Stimme: »Wir sind einen langen Weg zusammen gesegelt, Mr. Inch.«
    Er schnallte seinen Säbel ab und gab ihn Allday.
    »Wenn wir der
Hyperion
ein Behelfsrigg gegeben haben, können wir unsere Prisen nach Plymouth zurückbringen. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns.«
    Er fühlte Rührung in sich aufsteigen, fuhr aber im gleichen brüsken Ton fort. »Worauf warten wir also noch?«
    Inch sah ihn müde an. Dann antwortete er: »Ich werde mich gleich darum kümmern, Sir!«

Epilog
    Die Fenster des
Golden Lion Inn
waren nicht mehr gegen Regen und eisige Winde verklebt, sondern standen weit offen, um eine sanfte Brise – mehr war es nicht – einzulassen. Auf dem PlymouthSund gab es keine weißen Schaumköpfe mehr, und die helle Mittagssonne spiegelte sich in Millionen auf dem blauen Wasser tanzenden Strahlen und überschüttete auch die Schaulustigen, die auf der Straße und der Pier flanierten, mit angenehmer Wärme.
    Aber das Fernrohr auf seinem Dreifuß war noch da, und der Raum genauso eingerichtet, wie Bolitho ihn in Erinnerung hatte. Und doch gab es Unterschiede, war er sich der Stille hinter seinem Rücken bewußt, einer abweisenden Leere, die nur darauf zu warten schien, daß er wieder ging. Gerade in dem Augenblick hörte er den Wirt an der verschlossenen Tür vorbeischlurfen. Er wunderte sich bestimmt über Bolithos seltsame Bitte und wartete voller Ungeduld, daß er auszog, damit neue Gäste das Zimmer beziehen konnten, wie er es einst getan hatte.
    Die meisten Leute am belebten Ufer waren nur aus einem Grunde gekommen: sie wollten die vor Anker liegenden Schiffe sehen und mit Stolz und Schaudern ihr vom Kampf gezeichnetes Äußeres betrachten, als ob sie dadurch an ihrem Sieg teilhaben könnten. In diesen Ungewissen Zeiten war jeder Erfolg willkommen, aber die Kriegsbeute zu sehen und den Geruch von Kampf und Tod einzuatmen, war für manche Leute befriedigender als trockene Bericht in der ›Gazette‹ oder die von reitenden Boten aufgeschnappten Neuigkeiten.
    Bolitho schwenkte das Teleskop

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