Feind
zurückschreckte.
»Du brauchst sie nicht.« Treatons Flüstern war so leise, dass Helion
näher an das Bett rutschte. »Aber die Mondschwerter brauchen dich.« Er hob eine
Hand, um Helions Einwand zum Verstummen zu bringen, noch bevor dieser ihn
erhob. »Du bist unverdorben.« Er legte die Hand zurück an sein Schwert.
»Fünfundzwanzig Sommer, aber dein Herz ist noch das eines Kindes. Du träumst,
wenn du kochst. Ich höre dich summen dabei.« Der alte Mann lächelte.
Der Onkel, bei dem Helion aufgewachsen war, behauptete, er habe das
Talent für Speisen und ihre Zubereitung von seinem Vater geerbt. Es schien die
plausibelste Erklärung dafür, dass Helion nur an einem Pilz schnuppern musste,
um zu erkennen, ob man ihn essen konnte, und Gewürze auch dann richtig
dosierte, wenn ein Händler sie aus einem fernen Land brachte und niemand sie
kannte. Obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, stellte er sich gern vor,
dass sein Vater fröhlich gewesen war, wenn er gekocht hatte.
»Du siehst die Dinge einfach. Wie ein Kind. Wie ein Paladin. Die
Mondschwerter brauchen jemanden, der sie daran erinnert, was es bedeutet, ein
Paladin zu sein.«
»Aber ich bin Euer Schüler!«
»Das bist du. Und der Orden wird deine Lehrzeit respektieren. Er
wird es müssen, wenn du ihm mein Schwert als Unterpfand deiner Worte bringst.«
»Meister! Ich muss noch so viel lernen! Lasst mich nicht allein!«
Leichter Spott kräuselte Treatons Lippen. »Immer diese
Gefühlsausbrüche. Daran musst du arbeiten, sie sind deine einzige Schwäche. Mir
scheint tatsächlich, dass du einige wesentliche Dinge noch nicht verstanden
hast. Lass mich sterben. Wer ewig leben will, dient dem Feind.«
Darauf wusste Helion nichts zu sagen.
Es wäre auch zu spät gewesen. Sein Meister war tot.
Treatons Gesicht sah zufrieden aus.
Was Helion nützlich erschien, packte er auf das Maultier. Er begrub
Treaton an einem Baum, in dessen Rinde er das Zeichen der drei Monde ritzte,
wie es für einen Paladin Sitte war. An die Kate legte er Feuer.
Er sprach ein Gebet. Vor dem Tod hatten Zweifel kein Gewicht. Helion
ging, den letzten Wunsch eines sterbenden Mannes zu erfüllen.
Die alten Priesterinnen waren die Einzigen, die bei den Toten
zurückblieben. Sie waren zu dritt, eine war blind, einer war der Verstand
entglitten und die dritte sollte kein Wort mehr gesprochen haben, seit die
Hewron-Pocken ihr den Mann und alle vier Kinder genommen hatten. Im Tempel der
Mondmutter bestand man darauf, dass der Dienst in der Krypta der Paladine ein
ehrenvoller war. In Wirklichkeit war man froh, die drei alten Krähen außerhalb
der Stadt zu wissen.
Trotz ihrer Jugend war Ajina dem Tod schon oft begegnet, in der
Zeit, bevor sie die Toga der Adepta angelegt hatte. Sie wusste, dass die
Menschen nicht nur das Nebelland selbst fürchteten, sondern auch alle, die ihm
nahe waren. Manchmal schlug diese Furcht in seltsame Faszination um. Sie kannte
das von ihrem Vater, aber auch von den bewundernden Blicken, die Schwerter und
andere Werkzeuge auf sich zogen, die zu keinem anderen Zweck geschmiedet waren
als dem, Lebende zu Toten zu machen. Meist aber wurden jene gemieden, die dem
Tod nahe waren. Die drei Krähen taten Ajina leid, sie konnte sich vorstellen,
dass sich die alten Frauen einsam fühlten, obwohl sie keinen Hinweis darauf
gaben. Sie waren den drei Dutzend Besuchern, die der Aufbahrung der Gefallenen
beigewohnt hatten, mit Gleichgültigkeit begegnet, und auch den Auszug der
Prozession nahmen sie ungerührt und schweigend zur Kenntnis.
Ajina und Nalaji sahen zu, wie der Wagen mit den
Mondsilberrüstungen, die man den Toten während der Aufbahrung abgenommen hatte,
von weißen Ochsen in langsamem Schritt gezogen, durch das Tor entschwand. An
der Spitze der Prozession wussten sie Oberin Esmalla, was den Vorteil hatte,
dass die beiden Adeptae ihrer Aufsicht entzogen waren. Ajina war nicht sicher,
ob Esmalla ihren Beteuerungen Glauben schenkte, sie wollten bescheiden den
Abschluss des Zuges bilden, aber da sich so beschämend wenige eingefunden
hatten, um der neuen Märtyrer des Silberkriegs zu gedenken, war sie wohl um
jeden froh, der mitging.
Um den Wagen herum marschierten zwölf Paladine in voller Rüstung,
nur auf die Helme hatten sie verzichtet. Ajina erkannte Keratron. Er war ein
Mann Mitte dreißig mit einem Gesicht so hart wie ein Kiesel. Unvorstellbar,
dass er einmal lächelte. Ajina sah ihn nicht gern an, und der Gedanke, dass sie
ihn bald ständig in ihrer
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