Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass
Taliban in Afghanistan haben viel mit der Brutalität und Torheit der Antiterrorkriege zu tun.
Die radikalen Kräfte im Westen und in der muslimischen Welt haben sich gegenseitig hochgeschaukelt. Letztlich war Bin Laden der beste Stichwortgeber George W. Bushs und umgekehrt. Wir müssen dieses tödliche Schaukelspiel zwischen Terroristen und Antiterroristen so schnell wie möglich beenden.
Wir sind nicht legitimiert, überall auf der Welt mit Kriegen gegen extremistische Bewegungen vorzugehen. Genauso wenig wie wir berechtigt sind, weltweit diktatorische Regime militärisch zu bekämpfen – auch nicht das des grauenvollen Gaddafi. Wir haben nicht das Recht, die Welt in ein blutig-chaotisches Schlachtfeld zu verwandeln, um unsere politischen Vorstellungen durchzusetzen. Westliche Bomber, Drohnen und Kampftruppen haben im Irak, in Afghanistan, in Pakistan, im Jemen und auch in Libyen nichts verloren.
Die muslimischen Länder müssen ihre innenpolitischen Probleme in erster Linie selbst ausfechten und ihre Revolutionen selbst zum Erfolg führen. Auch dort, wo Extremismus in Terrorismus abgleitet, ist es vorrangig Aufgabe nationaler Kräfte, ihn zu bekämpfen. Sie können nur in extremen Sonderfällen mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrats durch internationale Polizei-Spezialkommandos verstärkt werden. Ausländische Interventionen müssen die absolute Ausnahme sein.
Das gilt vor allem für Kriege. Der Schaden, den Kriege anrichten, ist auch dort, wo ausnahmsweise ehrliche humanitäre Motive dahinterstehen, fast immer größer als der Nutzen. Man muss das Gute nicht nur wollen, sondern auch erreichen. Der Kampf gegen den Terrorismus, der bei Weitem nicht das wichtigste Thema unserer Zeit ist, wird weder am Hindukusch noch in Bagdad militärisch entschieden. Die Entscheidung fällt in den Herzen der 1,5 Milliarden Muslime, die in Ost und West, Nord und Süd die Politik des Westens genau beobachten. Mit jedem durch westliche Bomben getöteten muslimischen Kind stärken wir weltweit die terroristischen Minderheiten, versinken wir tiefer in den Widersprüchen unserer eigenen Politik.
Vor allem der Luftkrieg ist als Mittel der Terrorismusbekämpfung kläglich gescheitert. Bin Laden konnte im Winter 2001 trotz pausenloser Bombenangriffe aus Tora Bora entkommen, weil sich rund um die Höhlen, in denen er vermutet wurde, mehr Journalisten befanden als amerikanische Soldaten.
Fast gleichzeitig konnte Taliban-Chef Mullah Omar auf einem Motorrad die lichten Reihen der amerikanischen Truppen durchbrechen. Tora Bora ist das groteske Symbol der Torheit des kriegerischen Antiterrorkreuzzugs. Ein bizarreres Slapstick-Finale wäre selbst Cervantes, dem Schöpfer Don Quijotes, nicht eingefallen.
3. Terrorismus ist kein typisch muslimisches, sondern ein weltweites Problem.
Einer der Lieblingssätze der aktuellen Terrorismusdiskussion lautet: »Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime.« Er ist – wie so vieles in der Diskussion über die muslimische Welt – schlicht falsch.
Bis zum 11. September 2001 galten die hinduistischen »tamilischen Befreiungstiger« aus Sri Lanka als tödlichste Terrororganisation der Welt. Sie – und nicht Al-Qaida – professionalisierten in ihrem Kampf um Unabhängigkeit den Selbstmordterrorismus bis zur Perfektion. Sie wurden weltweit bis ins Detail kopiert, vor allem im Nahen Osten. Aber die »Tamil Tigers« töteten keine Westler. Über ihre Anschläge wurde bis zu ihrer Vernichtung im Jahr 2009 daher meist nur in Kurzmeldungen berichtet.
Terrorismus gab es zu allen Zeiten und unter allen Vorzeichen. Neben christlichen Terroristen wie George Habash, die jüdische Siedler brutal ermordeten, gab es auch »zionistische Terrororganisationen« – wie die »Irgun« Menachem Begins sowie die sich selbst terroristisch nennenden »Kämpfer für die Freiheit Israels« Jitzchak Schamirs. Sie kämpften mit Terror gegen Briten und Araber für ein freies Israel – auch gegen Zivilisten.
17 der 29 von der EU offiziell als terroristisch eingestuften Organisationen haben mit dem Islam nichts zu tun. Diese »marxistischen«, »antiimperialistischen«, »antikapitalistischen«, »hinduistischen« oder »Sikh«-Terrororganisationen haben weltweit unzählige Zivilpersonen auf dem Gewissen. In Uganda mordete jahrzehntelang die christliche »Lord’s Resistance Army«. Ihr Anführer Joseph Kony wollte auf der Basis der Zehn Gebote einen christlichen Gottesstaat errichten. Im
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