Feine Milde
den Wagen langsam rollen, und Heinrichs konnte sich in Ruhe umsehen. Es wirkte alles sehr deutsch: der Kies vor den Häusern war geharkt, die Vorgärten waren von Mauern eingefaßt, und in den meisten arbeitete ein Rasensprenger, die Fenster blinkten in der Sonne. Beim ersten Haus hinter dem Feld auf der rechten Seite parkte ein rotes Auto mit niederländischem Kennzeichen. Aber auch ohne diesen Hinweis hatte Heinrich gemerkt, daß sie in Holland waren. Die Häuser waren zierlicher, und an den Fenstern hingen keine Gardinen. Das blaue Ortsschild tauchte jetzt erst auf: Breedeweg (gem. Groesbeek).
Heinrichs schüttelte den Kopf. »Komische Grenze.«
»Ja«, lachte van Appeldorn. »Ich denke auch immer, man sollte wenigstens eine Linie auf die Straße malen.« Er wendete in der nächsten Einfahrt und fuhr zurück nach Grafwegen. »Da vorne auf der Ecke müßte Opgenoorth wohnen.«
Der Maurer hockte am Gartenzaun unter einer großen Zeder und putzte sein Mofa. Als er sie kommen sah, stand er langsam auf, wischte sich die Hände an der Hose und griente linkisch. »Tach zusammen!«
Sie unterhielten sich ein paar Minuten, aber es kam nichts dabei heraus. Mehr als gestern konnte er ihnen nicht erzählen.
Heute herrschte reger Verkehr auf dem Kartenspielerweg, und van Appeldorn mußte ein paarmal auf den gemähten Grasstreifen ausweichen. Schließlich erreichten sie die Gocher Straße, und nach einem Kilometer tauchten die ersten Häuser auf. Ein schmaler Weg führte nach rechts zu flachen, hellen Gebäuden und großen Koppeln mit weißen Zäunen; das mußte ein Gestüt sein. Vorn an der Ecke lag eine Kate mit einem Anbau aus leuchtend roten Klinkersteinen.
»Nummer 9«, gähnte Heinrichs. »Von hier aus hat Opgenoorth telefoniert.«
Über dem Klingelknopf hing ein getöpfertes Namensschild: Tenbuckelt.
Die Frau, die ihnen mißtrauisch öffnete, war groß und grobknochig und mußte so um die Sechzig sein. Sie trug eine hochgeschlossene Blümchenbluse und einen Schottenrock. Ihr einziges Zugeständnis an die sommerlichen Temperaturen waren die bis zu den Knöcheln heruntergerollten Seidenstrümpfe.
»Mein Mann ist nicht da«, sagte sie abweisend, als van Appeldorn ihr seinen Dienstausweis zeigte und sich vorstellte. Heinrichs schob sich vor seinen Kollegen und setzte seinen ganzen gutmütigen Charme ein. Nach ausführlichen Erklärungen ließ sie sie schließlich in die Diele, aber die Haustür lehnte sie nur an. Es war finster wie in einer Gruft; wenigstens war es kühl. Sie knipste das Licht an.
»Bei der Hitze haben wir den ganzen Tag die Läden runter«, erklärte sie. »Sonst hält man es ja nicht aus.«
Opgenoorth hatte bei ihr telefoniert. »Den wollt ich erst nicht reinlassen; der war besoffen.« An die genaue Uhrzeit konnte sie sich allerdings nicht erinnern. »Aber vorher war schon einer hier, der telefonieren wollt. So ’n Holländer.«
»Wann war das?« Van Appeldorn zückte seinen Block.
Sie sah ihm irritiert auf die Hände. »Eine halbe Stunde, bevor der Besoffene geschellt hat. Das war erst komisch«, sagte sie. »Der hatte nämlich ein Telefon bei sich, aber das war kaputt, hat er gesagt. Und er hätte eine Panne und müßte wohl jemand anrufen, der ihn abholt.«
»Und dann haben Sie ihn telefonieren lassen?« Heinrichs hatte den Apparat auf einer Konsole entdeckt neben einer Tür, an der ein geschnitztes, mit Enzian und Edelweiß bemaltes Schildchen hing: Wenn’s Arscherl brummt, ist’s Herzerl g’sund.
»Ja«, meinte die Frau und zog die Schultern hoch. »Es war bloß ein Ortsgespräch, aber er hat mir trotzdem zehn Gulden gegeben. Ich hab dann aber gehört, wie er eine Vorwahl gewählt hat und bin sofort gucken gekommen. Es war bloß Kleve, hat er gemeint, und stimmte auch. Da bin ich nämlich extra noch beigeblieben. Nicht, daß der auf meine Kosten durch die Weltgeschichte telefoniert!«
Der Holländer sei so um die Zwanzig gewesen und hätte langes rotes Haar gehabt. »Gepflegt sah der nicht aus, wenn Sie mich fragen.« Und am Telefon hatte er deutsch gesprochen, »wenn man das so nennen kann.« Aber wen der Mann angerufen und was er gesagt hatte, das wußte sie natürlich nicht. »Ich hab doch nicht gelauscht!«
Unfall? Ja, aber davon hätte sie erst gehört, als ihr Mann nach Hause gekommen sei. »Ich hab was anderes zu tun, als den ganzen Tag aus dem Fenster zu gucken.«
Als sie aus dem Haus traten, hörten sie ihren Funk lärmen. Van Appeldorn sprintete zum Auto.
»Na,
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