Feine Milde
lag.
»Wir Mitglieder können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß der Vorstand über die Gestaltung unserer Zehnjahresfeier längst entschieden hat und daß dieser Punkt aus rein kosmetischen Gründen auf die Tagesordnung gesetzt wurde, um den Anschein von Demokratie zu wahren. Mir ist nämlich zum Beispiel bekannt, daß Frau Salzmann-Unkrig, die übrigens, das möchte ich betonen, nicht dem Vorstand angehört, bereits einen Saal im Hotel Cleve gebucht hat.« Sie schickte der Genannten einen katzigen Augenaufschlag.
Frau Salzmann-Unkrig schnappte nach Luft. »Das stimmt doch überhaupt nicht! Ich habe lediglich Vorgespräche geführt.«
Am Ende des Tisches schob ein Mann geräuschvoll seinen Stuhl zurück. »Kann mir mal einer sagen, in was für ’nem Film ich hier eigentlich bin?«
Die Leute in seiner Umgebung klopften ihre Zustimmung auf die Tischplatte. »Genau! Was geht hier eigentlich ab?«
»Zehn Minuten Rauchpause«, rief Bärbel Peters schwach.
Die Leute stoben nach draußen, nur der Vorstand blieb an seinem Platz.
»Die Frau gehört doch in die Psychiatrie«, knurrte Maywald. »Soll die doch woanders ihre Profilneurose austoben. Ich hab noch einen wichtigeren Termin heute abend.«
Die Vorsitzende schwieg und schaute besorgt aus dem Fenster. Draußen auf dem Parkplatz scharte sich eine große Gruppe um Heiderose Jansen, die mit schriller Stimme bereitwillig Auskunft gab. Die beiden Leute von der Presse spitzten die Ohren.
Stomu Sato, das japanische Mitglied, stand abseits in seinem korrekten schwarzen Anzug, der bei diesen Temperaturen völlig absurd wirkte. Er lächelte sanft, drehte sich dann um und gesellte sich zu Frau Salzmann-Unkrig, die an der Theke auf ihren Cognac wartete.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis die letzten Mitglieder wieder in den Saal zurückkamen. Bärbel Peters entledigte sich ihres durchgeschwitzten Jacketts und schaute ruhig in die Runde. »Da jetzt hoffentlich das Informationsdefizit aufgearbeitet worden ist, können wir wohl mit der Diskussion zu Punkt 3 unserer Tagesordnung beginnen.«
Es stellte sich heraus, daß sich zwei Lager gebildet hatten. Das erste wollte das Jubiläum mit einem Sektempfang im Hotel Cleve begehen, zu dem potentielle Sponsoren, die überregionale Presse, Politiker und sonstige Honoratioren der Stadt geladen werden sollten. Die Gruppe um Heiderose Jansen plädierte für ein Kinderfest in der Stadthalle und verwies ganz entschieden auf den Vereinsnamen MitEInander LEben. Die erste Beisitzerin am Vorstandstisch, eine anorektische graue Maus, quäkte dazu: »Wir müssen uns doch fragen, worum geht es denn? Es geht um die Integration ausländischer Mitbürger, um aktive Lebenshilfe. Es geht um Menschen. Für diese Menschen soll das Fest sein, mit ihnen wollen wir gemeinsam feiern.«
Frau Salzmann-Unkrig sah das ganz anders: »Meine Herrschaften, wir müssen uns doch endlich die Realität vor Augen führen. Der Verein ist diesem Stadium längst entwachsen. Es geht inzwischen um wesentlich anspruchsvollere Projekte.«
Aggressives Gelächter von der rechten Tischreihe ließ sie abbrechen.
»Wie wäre es denn, wenn der Rest des Vorstandes sich zu der Sache mal äußern würde?« rief Heiderose Jansen und lehnte sich mit einem bösen Lächeln auf ihrem Stuhl zurück.
Bärbel Peters schüttelte nur mißbilligend den Kopf, aber Heino Müller stand auf. »Wir sollten doch langsam mal wieder auf ein angemessenes Niveau kommen, Heidi. Auf dieser Ebene können wir nicht diskutieren.«
Mehrere Leute klatschten Beifall.
»Einigen hier geht es offensichtlich überhaupt nicht um eine sachliche Diskussion«, rief Maywald aufgebracht. »Ich hab keine Lust, meine Zeit mit diesen Albernheiten zu verplempern!«
Heino Müller legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Wir haben bezüglich der Gestaltung unseres Jubiläums zwei Alternativen gehört. Wenn keine weiteren Vorschläge mehr kommen, können wir jetzt abstimmen.«
»Das gibt’s doch wohl nicht!« rief jemand von rechts.
»Es geht hier um die Ziele des Vereins, und das wird einfach so abgewürgt!«
»Falsch!« Heino Müller griff wütend zur Tagesordnung. Es war inzwischen weit nach 22 Uhr; trotzdem war es noch immer unerträglich warm im Saal.
Betont langsam stemmte sich jetzt wieder der schmuddelige Blonde aus seinem Stuhl hoch. »Ich stelle hiermit den Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung um Punkt 3.1: Klärung der Inhalte, Ziele und Aufgaben des Vereins.«
Eine ganze Reihe
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