Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
trank
er, was noch im Wasserschlauch war, und hielt dann Ausschau nach einer Gelegenheit, ihn wieder zu füllen.
Er sah sich um und folgte schließlich einem Abhang, bis er
einen der vielen Bäche erreichte, die es in diesen Bergen gab.
Zu seiner Freude gab es am Ufer auch Brombeerbüsche, und
er stürzte sich gierig darauf. Die meisten Beeren waren noch
nicht reif, aber es gab doch genügend, um die vollkommene
Erschöpfung durch den Hunger ein wenig aufzuschieben. Er
verbrachte eine Stunde damit, seinen leeren Essensbeutel mit
reifen Beeren zu füllen. Immer noch hungrig, aber belebt von
den Beeren und dem Wasser, machte er sich wieder auf den
Weg.
Am Vormittag wurde ihm bewusst, dass etwas nicht stimmte.
Aus der Entfernung zwischen den Hufabdrücken konnte er
ablesen, dass Raven und seine Männer offenbar nicht in Eile
waren. Etwas nagte an ihm, als er die Spuren betrachtete.
Er war vor einer halben Stunde an einem Haufen Pferdeäpfeln vorbeigekommen, und sie waren noch nicht trocken gewesen; er war offenbar ziemlich dicht hinter Raven. Aber
etwas an den Spuren beunruhigte ihn.
Erstieg ab. Raven und seine drei Begleiter hatten die überzähligen Pferde mitgenommen. Dann fiel es ihm auf: Ein
Pferd fehlte. Er überzeugte sich rasch noch einmal, ob er die
Spuren richtig gedeutet hatte. Ja, er hatte hier die Hufabdrücke von vier Pferden vor sich, nicht von fünf. Und nur drei
Spuren waren tief genug für ein Pferd mit einem Reiter.
Einer der Männer hatte sich unterwegs davongestohlen.
Tal sprang wieder auf sein Pferd, und da raste auch schon
ein Pfeil an ihm vorbei. Er legte sich flach auf den Hals des
Tieres und stieß einen Schrei aus, der es vorwärts trieb. Er
ließ das Pferd unter die Bäume flüchten, dann wendete er es
und wartete.
Der Mann, der auf ihn geschossen hatte, war ihm nicht gefolgt. Tal blieb ruhig sitzen, die Hand am Hals der Stute, und
versuchte, das müde und schlecht gelaunte Tier zu beruhigen.
Er wartete.
Die Zeit schien sich endlos zu dehnen. Es konnte sein, dass
der unsichtbare Schütze nicht in der Nähe geblieben war, um
zu sehen, ob er getroffen hatte, sondern den Weg entlang geflohen war, um Raven zu alarmieren. Oder er lauerte noch im
Unterholz auf der anderen Seite der Straße und wartete, ob
Tal auftauchen würde.
Schließlich hatte Tal genug vom Warten, also glitt er vom
Pferd, band es an einen Busch und schlug einen Kurs ein, der
parallel zur Straße verlief. Er führte ihn nach Süden, und an
der schmalsten Stelle, die Tal finden konnte, huschte er über
die Straße und wandte sich dann wieder nach Norden. Wenn
der Mann mit dem Bogen nach Süden geflohen war, würde
Tal eine Spur von ihm finden, aber falls der Schütze immer
noch darauf wartete, dass Tal sich sehen ließ, würde er ihn
bald erreicht haben.
Tal schlich sich leise durchs Unterholz. Er hielt Augen
und Ohren offen, um eine Spur des Bogenschützen zu finden.
Der Mann hustete. Tal erstarrte – das Geräusch kam von
Norden, nur ein Dutzend Schritte entfernt. Tal wusste, dass
ein Niesen oder Husten schon mehr als einem Mann den Tod
gebracht hatte. Er wartete, lauschte auf andere Geräusche, mit
denen der Mann verriet, wo er sich befand.
Er bewegte sich langsam, einen Fuß leicht auf dem Boden,
und verlagerte sein Gewicht, bevor er den anderen hob. Er
wollte nicht, dass knisterndes Laub oder knackende Zweige
seine Anwesenheit verrieten.
Dann bemerkte er den Geruch. Der Wind kam von Nordwesten, durch einen Pass in den Bergen, und daher konnte Tal
nun den Gestank des Mannes riechen. Der Bogenschütze hatte
offenbar seit Wochen nicht gebadet, und er musste gestern im
Orodon-Dorf mitten in all dem Rauch gewesen sein, denn er
stank fürchterlich.
Tal lauschte und spähte noch angestrengter, und dann entdeckte er den Mann.
Der Söldner hatte sich an einen Baum gedrückt, drängte
sich fest gegen den Stamm. Er hatte einen weiteren Pfeil bereit und suchte den Weg unruhig nach Anzeichen von Tal ab.
Tal nahm an, dass Raven ihm gesagt hatte, er bräuchte nicht
zurückkommen, wenn er Tals Kopf nicht mitbrachte.
Tal nahm den Mann ins Visier und bewegte sich in einem
Bogen, bis er sicher war, ihn mit seinem Pfeil töten zu können. Dann sagte er leise: »Leg den Bogen hin.«
Der Mann erstarrte. Er drehte den Körper nicht, aber er
bewegte den Kopf, so dass er Tal aus dem Augenwinkel sehen
konnte. Er ließ den Bogen fallen.
»Dreh dich langsam um«, sagte Tal.
Der Mann folgte dem
Weitere Kostenlose Bücher