Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
Wipfel des Gartens; große Tropfen fielen und somit lös'te sich die Stille am Himmel und auch in mir. Ein frisches Rauschen wühlte in den Bäumen und mischte Grün und Silber durcheinander, und in mir raffte sich ein fester, körniger Entschluß empor und gab mir meine Schnellkraft wieder, nämlich der Entschluß, sogleich abzureisen. - Fahre wohl, Armida, dachte ich - fahre wohl! Ich ging nach Hause; ein prachtvoller Regen rauschte nieder, und ich freute mich, je toller er um meine Schläfe rasselte, und je nasser ich wurde.
    Den Rest des Tages, als ich mich umgekleidet hatte, verbrachte ich mit Packen, war abgesperrt und ließ Niemanden zu mir. Den Lothar hatte ich beredet, daß wir am andern Tage, das ist:
heute
abreisen. Von der Familie Aston nahm ich schriftlich Abschied, weil ich Angela dort zu treffen fürchtete. Ich sagte in dem Briefe, daß mich am letzten Juli um fünf Uhr früh am Obelisk zu Schönbrunn etwas betroffen habe, was es mir unmöglich mache, ihn persönlich zu sehen. Bei meiner Zurückkunft werde ich vielleicht Manches aufklären; an die liebe Lucie und Emma gab ich viele Grüße auf.
    Noch Eins muß ich Dir melden. Anselm Ruffo, ein Bekannter von mir, ein kalter philosophischer Geselle, begegnete mir zufällig auf der Straße und hing sich an mich und sagte mir nebst vielem andern, ich möchte mich in Acht nehmen mit meinem weiblichen Umgange; denn das Mädchen, dem ich sehr viele Aufmerksamkeiten erweise, sei stadtbekannt als die Geliebte des Engländers Grafen Lorrel. Ich dankte ihm kühl für die Nachricht - sie war mir nun fast gleichgiltig.
    Und nun, Titus! Wenn Du Deine Herreise beschleunigen kannst, so thue es, ich bitte Dich, thue es; ohnedieß bangt mir oft sehr für Dich, wenn ich von den Abscheulichkeiten lese, die der spanische Bürgerkrieg erzeugt. Lebe wohl für heute! In München triffst Du Briefe, die Dir sagen, wo Du mich findest. - - - - - - - - - - - - - - -
    Abends um 8 Uhr.
    Es wird doch heute ewig nicht zehn Uhr, welcher Glockenschlag mich endlich aus dieser Stadt bringt. Alles ist geordnet; Lothar geht herum Abschied nehmen, und ich gehe schon tausendmal in meinem Zimmer auf und ab. Nun, es wird ja doch auch verhallen und verklingen, wie so Vieles verhallte und verklang. Nur daß das kindische Herz sich so mag aufregen und sich von seinen Wallungen Ewigkeit vorspiegeln, und weiß es doch, wie noch jede Bewegung desselben ausschwang und verging. Oder hat eine Entzückung über eine Seele vor der über die
A
-Symphonie etwas voraus? Sind nicht beide bloße Werke der Schönheit? Ach Gott, die
A
-Symphonie
blieb
schön!! Siehst Du, das ist's, daß es Ideen geben darf, glänzend und höchsten Adels, und daß sie so höhnisch dürfen mißhandelt werden. Getäuschte Liebe, geäffte Anbetung ist ein altes Märchen, - doch darüber sich zu härmen ist kläglich und schwach - aber es gibt einen größern Schmerz, den Schmerz verlorner Seelen, und der meine wäre derselbe, wenn ich sie auch nur bloß gekannt hätte, etwa als Mutter, Gattin - und dann den widrigen Flecken an dem Wunderwerke gesehen hätte. Wenn blaue Lüfte, duftige Berge, schöne Wolken in meinem Auge schweben - wenn der Donner und die Flötenstimme an mein Ohr dringt - und dieß Alles Wahrheit außer mir haben darf: warum lügt das Herz in uns? - Wenn das wahr ist, was meinem Thiere zusagt, kann das höhnen, was mich vergöttert? Sie selbst, trotz der schnöden Mißstimmung hat es mir wieder gezeigt, was uns das eigne Herz als künftigen unbekannten Himmelslohn verspricht, das muß wahr sein - es muß wahr sein - nur das
Suchen
kann in der raschen Trunkenheit verfehlt werden.
    Somit - fahre wohl!! In zwei Stunden geht es auf den Postwagen und dann in Gottes urewige, schuldlose Berge.
     
     

13. Purpurrothes Fingerhütlein
     
    Linz, 3. August 1834.
    O Titus! was sind denn eigentlich drei Tage? - und welche Macht haben sie auf den Menschen! - Zürne nur nicht; ich weiß Alles, was Du sagst, und habe Deinen Rath befolgt, ehe du ihn gabst. Wenn ich Dich in der Stadt Linz getroffen hätte und Du hättest alle meine frühern Tagebuchsblätter gelesen gehabt, so wäre Dein Rath, nicht wahrscheinlich, sondern gewiß dieser gewesen: »Albrecht, gehe auf die Post und gib den letzten Pfennig dafür her, daß man Dich eiligst nach Wien befördere; - dann tritt vor sie und sage: Ich bin ein gehetzter Thor gewesen und drei Tage lang ein schlechter Mensch.«
    So geschieht es auch: ich bin in kindischer Raserei nach Linz

Weitere Kostenlose Bücher