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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gefahren, und nun ist der Postwagen wieder bestellt; morgen um fünf Uhr gehe ich mit ihm nach Wien. Lothar ist einverstanden, und wird acht Tage in Linz warten, bis ich selber wieder komme oder ein Brief. Er weiß Alles und erschrak fast über die Rücksichtslosigkeit meines Verfahrens. Erst einen Tag vorher sagte sie die Worte: »Da es nun gesagt ist, so dürfen Sie für alle Zukunft darauf bauen,« und ich glaube schon am andern Morgen darauf den Rathschlägen der bösesten, blindesten Leidenschaft mehr, als der ganzen klaren Sittlichkeit ihres Wesens, die mir so lange vorlag - einer Leidenschaft, die berühmt ist wegen ihrer Rohheit und ihrer Trugschlüsse. Sie, an Allem, was gut ist, so weit über mir, gab sich mir als Braut, und vertraute mir, mir unbedeutendem Menschen, der ich noch vor wenig Tagen jeden Mann für sie zu schlecht hielt - und in der ersten Probe sinke ich schon so schmachvoll tief. Ich schäme mich, so knabenhaft gehandelt zu haben. Eifersüchtig zu werden, alle Welt vor den Kopf zu stoßen und auf und davon zu fahren! Setzen wir den Fall umgekehrt: was würde sie gethan haben? Entweder sie hätte gar nichts gesagt, oder etwa, warum ich so geizig bin und eine Freundin, die ich so lieb habe, ihr vorenthalte; es wäre ja schöner, wenn ein Mensch mehr im Bunde sei, der sich unsers Lebens und Strebens freue. Ich will des Todes sterben, wenn sie nicht so gehandelt hätte. Ich kann es nicht tragen, ach ich kann es nun nicht tragen, bis der Fehler gut gemacht ist - es war ja nicht Mißtrauen, Mißtrauen war es nicht, nur ganz blinde, sprudelnde Eifersucht, und es soll das erste und letzte Mal sein, daß ein solch böses Ding in mein Herz kam - es überraschte mich, und in der gänzlichen Neuheit der Sache wußte ich mich nicht zu nehmen. O Titus, die Reue ist noch nagender, als die Eifersucht selbst; hilf mir nur die Stunden ertragen, die noch bis zur Abfahrt sind - ach, und erst die zwanzig langen Stunden der Fahrt!! Indeß will ich die ganze Nacht an diesem Tische verschreiben, um mich anzuklagen. Auch verstandeslos war ich ganz und gar - ist es denn nicht sonnenklar, daß es ihr hochverehrter Lehrer war, mit dem sie die Morgenstunde wählte, um ihm Alles zu sagen, - ihr Freund, von dem sie es gar nicht erwarten konnte, mich ihm zu zeigen - wie sie jubelte, wie wir uns verstehen und lieben werden? - Und nun! und nun!! daß er sie umarmte? Thun Bruder und Schwester das nie? Führen es nicht auch andere Verhältnisse herbei? Als ich einmal der Braut eines meiner Studienfreunde auseinandersetzte, warum er sie verlassen mußte, und als sie über die bösen Verläumdungen, die sein Herz von ihrem trennten, im ausgelassensten Schmerze verging: nahm ich sie da nicht, selbst gerührt, in die Arme, drückte sie an mein Herz, faßte ihre Hände, tröstete sie und versprach, Alles in's Gleichgewicht zu bringen? Wie thöricht nun, wenn er auf diese Umarmung wäre eifersüchtig geworden!

Endlich, jeder Erscheinung gehen ihre Zeichen vorher und nachher, und jede Erscheinung muß umringt sein von Nachbarn und Verwandten. Nie steht die glühende Abendwolke einzeln und geschnitten an dem Scheitel des blauen Mittaghimmels. Eben so ist dieser vereinzelte Verrath mitten in ihrem andern Leben eine Unmöglichkeit, ein Unding, eine Ungereimtheit. Wie mußte sie meine Rohheit befremden und schmerzen, sie, die mir gestern Alles gab! - - und die Zeit, die Zeit geht so langsam. - - Aber so ist es, wenn uns einmal der Nebelgeist der Leidenschaft und Unvernunft umdüstert: die nächsten Mittel erkennen wir nicht mehr. Was harre ich auch des Eilwagens? - Was hindert mich denn daran sogleich ein Fischerschiffchen zu miethen, und so viel Ruderer dazu, als hineingehen? Der Mond steht am Himmel, das Wasser geht voll - wie oft hört' ich sagen, solche Leute können in einer Nacht von Linz nach Wien fahren - - ich thu's, ich thu's!
     
     

14. Ginster
     
    Linz, 8. August 1834.
    »Wer des Drachen Zähne säet, der hoffe nichts Erfreuliches zu ernten.« Es ist alles aus und ich bin selbst Schuld daran. Ich dichtete mir einst am Traunsee ein schönes Tusculum, aus dem jede Aeußerung roher Leidenschaft Verbannung nach sich zieht - jetzt habe ich mich selbst durch solche Leidenschaft von einem schönern Tusculum verbannt. Sie muß eingesehen haben, daß sie sich in mir irrte - und sie hat sich auch geirrt.
    Ich miethete die Rudersmänner; sie flogen beinahe mit mir die Donau entlang, und ich war schon um acht Uhr früh des vierten

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