Der Lächler
Es war nicht der Weg in die Freiheit, es war die Reise in den Tod, das wußte Onopko, der Lächler, genau, auch wenn ihm etwas anderes versprochen worden war und die Freiheit unter dem Hubschrauber in Form von kleinen Seen, Wäldern aus Niederholz und dunkelgrünen, sumpfigen Ebenen hinwegglitt. Onopko kannte die Regeln, er wußte, daß sie ihn nicht mehr brauchten, daß er ein Stück der alten UdSSR war, das entsorgt werden mußte.
Er roch noch immer den verdammten Knastgestank. Eine Mischung aus Urin, Kot und Dreck, in der sich nur Ratten wohl fühlten, aber keine Menschen. Die hatte man in die Zellen eingepfercht, und den Wächtern war es oft genug egal, ob die Gefangenen krepierten oder überlebten.
Der Lächler war nicht gestorben. Er lebte, er würde leben, denn er war so etwas wie ein Mythos. Er war geschaffen worden, der KGB hatte sich damals seiner bedient, nur wollte man davon heute nichts mehr wissen.
Typen wie Onopko paßten nicht in das neue Reformprogramm, sie mußten deshalb ausgelöscht werden.
Doch der Lächler lebte.
Er würde immer leben, darüber machte er sich keine Sorgen. Deshalb war er auch nicht nervös, trotz der Handschellen, mit denen sie ihn gefesselt hatten. Sie hatten ihm die Arme auf den Rücken gebogen und die beiden Stahlkreise um seine Handgelenke geschlagen. Das Metall schnitt tief in die Haut des Mannes.
Er verspürte Schmerzen wie jeder Mensch. Nur litt er nicht so wie andere. Er steckte sie einfach weg, mit einem Lächeln.
Drei Bewacher hatte man ihm mitgegeben. Eigentlich nur zwei, denn den Piloten, einen finster aussehenden Mann, der bisher noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte, zählte er nicht. Die beiden anderen Aufpasser hockten im hinteren Teil des Hubschraubers neben ihm. Er kannte ihre Namen nicht. Sie waren nur Nummern. Der eine die Nummer eins, der andere die Nummer zwei.
Es gehörte einfach zum Image des Knasts. Man verlor die Menschlichkeit. Man war nur eine Nummer, nicht mehr und nicht weniger. Und wurde jemand entlassen, konnte er dieses Gefühl und Wissen auch im normalen Leben nicht mehr abschütteln. Wer aus dieser Hölle herauskam, der blieb im Kreislauf.
Onopko hockte zwischen den beiden Aufpassern. In der Maschine war es kalt. Der Winter hatte sich in diesem Teil des Landes schon angemeldet. Zwar war in den Ebenen noch kein Schnee gefallen, doch lange würde es nicht mehr dauern. Noch lag das Land wie ein unendliches grünbraunes Bild unter ihm, menschenleer, verwaist, auch von Tieren verlassen. Die Taiga, wie sie im Buche stand.
Der Lächler bemerkte die Unruhe der beiden Aufpasser. Immer öfter schauten sie durch die Scheiben in die Tiefe. Zudem hatte der Hubschrauber an Höhe verloren, und der Pilot hatte auch die Geschwindigkeit gesenkt, alles war vor dem Flug genau abgesprochen worden.
Nummer eins zündete sich eine Zigarette an, obwohl das Rauchen verboten war. Niemand kümmerte sich darum. Es war eine Zigarette aus dem Westen, an diese Ware war jetzt besser heranzukommen als früher.
Der Mann saugte den Rauch ein und blies ihn durch die Nasenlöcher wieder aus. Vor seinem Kinn dampften Wolken, die auch gegen das Gesicht des Lächlers zogen, das unbeweglich blieb.
Es war ein besonderes Gesicht. Kalt und bösartig. Sehr breit und sehr lang, mit einer ungewöhnlich hohen Stirn, auf der eine dünne Narbe wie ein querlaufendes Band zu sehen war. Die Haut war vorhanden, sie hätte ebensogut durch etwas anderes ersetzt werden können, durch ein dünnes Stück Stoff, zum Beispiel, denn sie wirkte steinern, als wäre sie durch nichts in Bewegung zu bringen. Leblose Augen, eine kräftige, zum Ende hin breite Nase, und darunter der Mund mit den ebenfalls sehr breiten Lippen, der aussah wie eine genmanipulierte Banane.
Onopkos Haare sahen mehr aus wie ein Schatten. Sie waren dunkel, mit leichten Grauschleiern darin. Er war kompakt, schwer, aber nicht fett. Er war wie eine Wand, wie ein Schrank, der sich durch nichts von seiner Position wegrücken ließ.
Im Knast hatte er nie etwas erzählt. Auch die Wächter wußten nicht viel über ihn, und so war es dann zu einer Legendenbildung gekommen. Er wurde als Monster angesehen, als ein Mensch ohne Gefühl, fast schon als russischer Frankenstein.
Daß mit Onopko etwas nicht stimmte, wußte man. Es war nur nicht bekannt was, und wenn Onopko lächelte, dann ergriffen alle, die dieses Lächeln sahen, die Flucht.
Sein Lächeln war das Markenzeichen. Das Grinsen wie der Tod. So war er bekannt geworden, und
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