Feldblumen
schlief ein. Als ich erwachte, saß Emil an meinem Bette. Ich war befremdet, daß er sich meinetwegen das Vergnügen versagte, da selbst meine Freunde meinen Zustand unbedenklich fanden. Er heftete die schönen Augen auf mich, indem er sagte: »Wir sind uns ja nicht fremd; aber ich hätte es auch gegen einen Fremden gethan - ja, in einem Walde Amerika's pflegte ich einmal einen fremden Hund, bis er genas - und dann freilich nicht mehr von mir ging. Uebrigens sind die, die mit Ihnen sind, Ihre Freunde nicht, sondern nur Bekannte, außer Lothar, dessen schöne Blumenseele Sie sich bewahren müssen.«
Als ich aufgestanden war, schrieb er Briefe, und ich das vorliegende Blatt an Dich, bis es sehr spät Abends war.
Eben kommt Alles von dem Grundelsee zurück. Es soll sehr schön gewesen sein. Man fuhr auf dem See, und tanzte sogar im Seehaus. Der Wiener Studiosus dichtete ein Lied, und trug es aus dem Stegreif vor, dann sangen sie ein Männerquartett auf dem See; der Doctor verschoß ein Pulverhorn voll Pulver - und ans Heimgehen dachten sie erst, als, wie Lothar sagte, See und Felsen im Abende loderten, und ringsum das klangreiche Lullen und Jauchzen der Sennerinnen hallte und auf dem Elm ein Freudenfeuer brannte.
16. Baldrian
Hallstadt, 17. August 1834.
Emil eröffnete mir auf dem Wege von Aussee nach Hallstadt freiwillig, daß, wenn ich meine Reise abkürzen wolle, Alles, was noch von Besorgniß in meinem Gemüthe sei, sich viel kürzer ins Klare bringen lasse. »Augenblicklich will ich umkehren,« sagte ich; »der Großglockner hat bei meiner innern Unruhe jeden Werth für mich ohnedieß schon längst verloren.«
Nur eine Woche, bat er, solle ich ihm in Hallstadt schenken; er habe diese Bitte einer eigensinnigen Person versprochen, die er mir bald vorführen werde, und die mich auch wolle kennen lernen.
Wir kamen früh genug in Hallstadt an, um die Einladung Emils annehmen zu können, mit ihm in der Gosaumühle zu essen. Er, Isidor, der Doctor, Lothar und ich fuhren in einem Kahne dahin. Auf der Gasse vor der Mühle stand ein schöner Reisewagen, und der Doctor behauptete sogleich, es sei derselbe, den er in Kirchdorf gesehen habe. - In demselben Augenblicke hüpfte eine grüngekleidete Dame aus dem Hause, und mit den Worten: »Gott grüße Dich, Emil!« nahm sie unsern Begleiter schlechtweg bei dem Kopfe und küßte ihn herzlich - und als sie auch uns grüßte, denke Dir meine Ueberraschung, war es dieselbe Dame, die ich einst mein Griechenbild von St. Anna nannte, dieselbe schöne blauäugige Dame, deren Angesicht ich oft in der Annenkirche studirte, und die ich nachträglich einmal in Haimbach mit Emil sah - also war die andere Verschleierte damals ohne Weiteres Niemand anders gewesen, als Angela, und die alte Frau die Tante.
Wie der Witz des Zufalls zuweilen spitzig sein kann!
Emil stellte uns die Dame als seine Schwester vor. Sie verbeugte sich schelmisch gegen den höchst verlegenen Doctor. Ein ältlicher Mann kam mit umgebundenem Speisetuche heraus, und rief unter uns: »Na, da sind sie, aber Du hast lange warten lassen; gestern den ganzen Tag saßen wir hier, und das sind vermaledeite Berge; Du mußt einen andern Wagen schaffen.«
»Oheim,« entgegnete Emil, »wir fahren ohnedieß für dießmal nicht tiefer in die Berge. Natalie will nur, daß wir ein bischen in Hallstadt verweilen.«
Natalie grüßte uns Alle noch einmal als Reisegefährten des Bruders, und dann ging es an das Mittagsessen und an das Plaudern, und jeder sagte nach Tische dem Andern, daß ihm die junge Dame ausnehmend gefalle.
Nachmittag fuhren wir in zwei Kähnen nach Hallstadt zurück, und richteten uns in unsern Zimmern ein, so gut es ging. Lothar wird Punkte des Sees malen.
19. August.
Verzeihe, daß ich zwei Tage an diesem Blatte nichts schrieb; es war keine Zeit. Manche Wienerin würde es übel nehmen, daß eine junge Dame mit den glänzendsten braunen Haaren, dem tiefsten, schwermüthig funkelnden Augenblau, und dem edelsten Gesichte, das noch dazu voll lauter Blüthe und Huld ist - daß diese Dame so allein (nur ein Mädchen hat sie zur Bedienung) mit jungen Männern im Gebirge herumgehen kann; aber Natalie thut das Alles so schön und einzig, daß man es ganz in der Ordnung findet; überhaupt ist sie, wenn es möglich wäre, die zweite Ausgabe von Angela, dieselbe schöne sittliche Grazie und ich glaube fast, dieselbe Bildung. Wir vergingen die ganzen zwei Tage buchstäblich im Freien in den Gebirgen.
23.
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