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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Wellblechbaracke, von der die Eingangstür gar nicht mehr existierte. Vielleicht hatte ein Förster eine bessere Verwendung für sie gefunden. Das Innere des Verschlags sah nach einem Arbeitsraum aus, der mit billigen, morsch gewordenen IKEA-Regalen vollgestopft war, auf denen ein paar Aktenordner lagen. Allerdings ohne Inhalt. Abgesehen von Nummern und irgendwelchen kryptischen Abkürzungen prangte auf jedem der Aktenordner die Aufschrift: PROJEKT ARCHE.
    Ich wechselte von der kahlen Röhre in das Gehege und gelangte damit tatsächlich in ein Märchenreich. Freilich in ein synthetisches, was in Anbetracht der echten Wildnis außerhalb ziemlich aberwitzig wirkte. Das Innere des Mammutkäfigs war sozusagen eine Hommage an die fortschrittlichen Ideen im Zoowesen. Menschen rücken zwar von ihrer alten Leidenschaft, Tiere in Gefangenschaft zu halten, niemals ab, unter dem Druck der öffentlichen Kritik jedoch gestehen sie ihren unschuldigen Sträflingen bisweilen ein zumindest optisch artgerecht wirkendes Ambiente zu. Über Nacht steht dann in einem sterilen Affenhaus ein verdörrter Kletterbaum, und im Terrarium liegen ein paar Steine mehr. Einen solchen Pseudo-Dschungel fand ich auch hier vor. Die Bühnenbildner hatten sich aber diesmal selbst übertroffen. Ein verschlungenes Gewirr aus angepflanzten Bäumen verschmolz mit einem wahren Wucherwuchs von undefinierbaren Pflanzen, so daß die zügellose Kraft der Wildnis paradoxerweise drinnen eindrucksvoller zur Geltung kam als draußen. Überaus fruchtbarer Efeu hatte nicht nur wie ein grüner Putz sämtliche Gewächse verschalt, sondern sich bis zum Deckenmaschenwerk emporgeschwungen und es in ein fast lichtundurchlässiges Blätterdach verwandelt.
    Welche Kreatur hatten sie hier gefangengehalten? Und warum so weit abgelegen von der Zivilisation? War sie denn so gefährlich gewesen, daß man sich nicht getraut hatte, sie herauszulassen? Vor allen Dingen, wo war sie jetzt? Entwischt? Mir fiel eigentlich nur ein Kandidat ein, bei dem ein solcher Aufwand gerechtfertigt zu sein schien: die Monsterpranke.
    Bewegungen! Winzige, kaum wahrnehmbare Bewegungen regten sich zwischen Blättern und Ästen, Bewegungen, die auch ganz und gar einer Laune des aufkommenden Windes hätten zugeschrieben werden können. Ohne mir etwas anmerken zu lassen - jedenfalls bildete ich mir das ein - drehte ich mich um, mit der Absicht, so mir nichts dir nichts in die Baracke zurückzuwandeln und dann den gespenstischen Platz zu verlassen. Aber diese unmerklichen Bewegungen waren plötzlich auch neben den Türpfosten und im Innern der Baracke, ja überall. Und nicht genug damit, auch außerhalb des Riesenkäfigs kam plötzlich Bewegung in dem angrenzenden Wald auf, und unheimliche Schatten begannen sich zu rühren.
    Aus den Bewegungen wurden Umrisse und aus den Umrissen Wilde, deren Schönheit mich wie sakrales Licht blendete. Sie waren die ganze Zeit hier gewesen, zwischen Zweigen hockend und auf Ästen sitzend, doch ihr waldfarbenes Tarnfell hatte mein Auge getäuscht. Nun rührten sie sich, und das Ganze sah aus, als würden Rosen im Zeitraffer ihre Blätter entfalten. Indianern gleich, die ganz langsam das Farmhaus umzingeln, kam jetzt auch der Rest des Stammes aus dem Wald herausgeströmt und bewegte sich in einer geduldigen Prozession zur Baracke. Die im Käfig erhoben sich, sprangen von ihren Tarnnestern herunter und begannen mich einzukreisen. Schon bald befand ich mich in einem engen Kreis, der sekündlich dichter und dichter wurde, je mehr Exemplare der Felis silvestris sich von außen dazu gesellten. Dann waren alle um mich versammelt, und beäugten mich neugierig.
    »Ich kann nicht steppen, falls ihr das jetzt von mir erwartet«, witzelte ich aus purer Verlegenheit, weil mich das Geglotze nervös machte.
    »Das ist aber höchst verwunderlich bei einem Tausendsassa wie dir, Francis«, hörte ich eine zittrige Stimme hinter meinem Rücken. Ich drehte mich um und erspähte ein uraltes Weibchen, das auf einem vollkommen mit Moos bewachsenen Baumstumpf saß. Merkwürdig, daß sie mir nicht gleich am Anfang ins Auge gesprungen war. Denn ihr einstmals wildgetigertes Fell war längst ergraut, die Haare zottig und stumpf geworden. Ihrem Blick haftete etwas Trauriges und Gebrochenes an, wie dem einer Mutter, die schon viele ihrer Kinder hat in den Tod gehen gesehen. Und ihr Körper wirkte schlapp und verbraucht - die Folge unzähliger Würfe. Steif und zittrig richtete sie sich auf und kletterte

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