Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
sie entgeistert an.
    »Ihr wißt, wo er ist?«
    »Selbstverständlich. Wir wissen über alles Bescheid, was im Wald vorgeht.«
    »Wo? Wo ist er?«
    »Im Versteinerten Wald.«
    »Der Versteinerte Wald? Was bedeutet das?«
    »Wenn man einmal dort gewesen ist, weiß man, was das bedeutet. Er liegt zwei Kilometer nördlich von hier. Man braucht nur aus dieser Baracke hinauszugehen und einfach geradeaus zu wandern, dann stößt man direkt darauf. Wenn der Schwarze Ritter nicht gerade mit dem Auslöschen von Leben beschäftigt ist, verschanzt er sich mit dem Hund dort in einer Höhle, die durch eine enge Felsspalte zu erreichen ist. Sicherlich wirst du fragen, wie man diesen Felsen findet. Das wäre noch bis vor ein paar Jahren eine gute Frage gewesen. Doch für denjenigen, der den Versteinerten Wald kennt, erübrigt sie sich.«
    »Ich verstehe nicht, Aurelie, wenn ihr doch wißt, wo die Bestie steckt, wieso schnappt ihr sie euch dann nicht?«
    Diesmal war es ein trauriges Lächeln, welches sich mit der Langsamkeit einer trägen grauen Masse über ihr vergreistes Gesicht ausbreitete. Dann schüttelte sie gedankenverloren den Kopf. Alle Zuversicht schien in ihr gestorben zu sein.
    »Es hat alles keinen Sinn mehr, Francis«, flüsterte sie beinahe. »Und alle Werte, die einst der Aufrechterhaltung der Ordnung dienten, haben jetzt ihre Bedeutung verloren. Die Apokalypse ist nah, mein Sohn. Und der Schwarze Ritter ist lediglich ein Symbol dafür. Rache? Wem soll sie nützen? Kann Rache Alraune wieder zum Leben erwecken? Und wenn wir Hugo und die Dogge töteten, würde damit der Massenmord der Menschen an uns Tieren, an sogenannten niederen Lebewesen, aufhören? Würde sich an unserer Situation wirklich etwas ändern? Nein, mein Sohn, man kann den Menschen nur entfliehen. Aber wohin? Denn sie sind überall. Trotzdem muß ich auch dem letzten Hoffnungsschimmer hinterherjagen, weil ich für meinen Stamm Verantwortung trage. Deshalb brechen wir noch heute nacht nach Skandinavien auf. Ambrosius sagt, die Lage wäre dort ein bißchen besser. Wer's glaubt, wird selig.«
    Auch ich war nun vollkommen ratlos, und mir fehlten einfach die Worte, um sie von der notwendigen Exekution des Schwarzen Ritters zu überzeugen. Aurelie hatte ja so recht. Was machte es schon aus, wenn in einer gigantischen Schlachtfabrik zwei Schlachter ausfielen? In Details verrannt, hatte ich den großen Überblick verloren. Dieser Fehler hätte mir nicht passieren dürfen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen wußte ich, was hinter den Fassaden der stillschweigenden Akzeptanz vor sich ging. Ich wußte, daß in diesem Land allein in den letzten zwölf Jahren siebzig Millionen Tiere zu »wissenschaftlichen« Versuchszwecken zersägt, verbrüht, in brennbare Flüssigkeiten getaucht, aneinandergenäht, mit Zigarettenqualm eingeräuchert, mit Eiter injiziert, aber am Ende immer getötet wurden. Ich wußte, daß Meeresschildkröten bei lebendigem Leib aufgeschlitzt, Pferde und Schweine fast übereinandergestapelt und ohne Wasser tagelang in Lastwagen durch ganz Europa transportiert, Hühner auf einer Fläche von zweihundert Quadratzentimetern kaserniert und zum ewigen Eierlegen verdammt, hundertfünfzig Chinchillas für einen einzigen Mantel zur Ermordung freigegeben und Millionen und Abermillionen von Tieren von Jägern gehetzt, verstümmelt und umgebracht wurden. Das alles hatte ich gewußt und war doch wie ein dienstbeflissener kleiner Polizist in einem totalitären Staat, in dem Millionen leise aus dem Verkehr gezogen werden, hinter zwei Verbrechern hergejagt. Was für ein Witz!
    »Wir verlassen diesen Wald, Francis«, sagte Aurelie bitter. »Und wenn du schlau bist, tust du das auch. Es wäre lebensgefährlich, um nicht zu sagen tödlich, wenn du in den Versteinerten Wald gehen und in der Höhle des Löwen schnüffeln würdest.«
    »Sicher«, entgegnete ich. »Nur ein Verrückter würde das tun.«

Siebtes Kapitel
     
     
    Märchen haben etwas Verführerisches, weil jede Märchenfigur nur eine einzige Seite der Seele repräsentiert und den Dingen auf diese Weise eine gewisse Überschaubarkeit verleiht. Auch meine bisherige Reise hatte einem Märchen geglichen. Da waren Safran, Niger und das Volk der Barmherzigen, die die Rolle der Kobolde übernommen hatten, da war die Hexe in Person Dianas und der dienstbare Geist Ambrosius, da waren die geknechteten Bauern, für die die bedrohten Artgenossen auf den Höfen standen, die Prinzessin namens Alraune, das

Weitere Kostenlose Bücher