Felidae 4 - Das Duell
Comicfigur hervor. Klarer Fall: Hier führte eine bemitleidenswerte Gestalt mit Hilfe der Chemotherapie einen verzweifelten, vermutlich aber vergeblichen Kampf gegen den Krebs.
Auf der Bettdecke und am Fuße des Bettes saßen oder lagen die dreißig Zwerge. Genauer gesagt etwa dreißig Artgenossen von mir, die den unterschiedlichsten Rassen angehörten und daher ebenso unterschiedliche Fellfarben aufwiesen. Sie schauten ehrerbietig zu der Todkranken auf, als wäre der Heiland höchstpersönlich herniedergekommen. Unter den vielen Anbetern befand sich auch Adrian, der sich mit seinem noch nassen Fell gleich auf dem Schoß seiner Herrin breitgemacht hatte.
Für Stimmung, allerdings für eine sehr getragene, sorgte ein anderer Glatzkopf. Mit der Distinguiertheit eines englischen Butlers hantierte ein höchst sonderbar aussehender Mann mit dem Geschirr auf einem Rollwagen. Der Kerl maß mindestens zwei Meter, war von der Weste bis zu den Socken in Schwarz gekleidet und besaß ein Gesicht, für dessen Gipsabdruck Horrorfilm-Maskenbildner aus Hollywood Schlange gestanden hätten. Unter der wie poliert wirkenden Glatze erstreckte sich eine außergewöhnlich hohe Stirn. Darunter klafften abgründige Augenhöhlen, die die Augen derart verschatteten, daß man sie kaum mehr sehen konnte. Dann folgten eine umfangreiche Nase und ein sehr breiter, aber schmallippiger Mund. Ein Kinn wie ein Amboß rundete das Schreckensbild ab. Alles in allem wirkte der Diener etwa so, wie man sich einen aus der Irrenanstalt entflohenen Massenmörder vorstellt. Wenn da nur nicht seine sanften, an einen Engel erinnernden Bewegungen gewesen wären.
Tja, was sollte man von dieser bizarren Szenerie halten? Eigentlich hatte ich mir Adrians Domizil als eine Kombination aus Buckingham Palace und dem Loft eines ausgeflippten Modefotografen vorgestellt. Und so etwas Ähnliches war es ja auch. Bloß daß hier etwas gewaltig zum Himmel stank. Es erinnerte mich an diese Bilderrätsel in den Illustrierten, wo zwei vermeintlich identische Zeichnungen nebeneinander präsentiert werden, die eine Zeichnung sich jedoch von der anderen durch ein Dutzend von zu erratenden Details unterscheidet. Noch wußte ich nicht, was an diesem Tableau so verdächtig war. Bis mir plötzlich die schwarzen Kordeln ins Auge sprangen ...
Sie waren schmückendes Beiwerk am Samtbaldachin, zierten den Saum des sich in dekorativen Falten bauschenden Stoffes oder baumelten, an den Spitzen mit goldfarbenen Troddeln behangen, einfach herunter. Ich hielt den Atem an. War es ein Zufall, daß der gleiche Kordeltyp, der bei der Strangulierung meines Artgenossen benutzt worden war, ausgerechnet das Haus desjenigen verschönerte, der eine geradezu seherische Analyse des Tatorts abgeliefert hatte? Andererseits konnte ich auch erkennen, daß sämtliche Kordeln intakt, also weder irgendwo abgeschnitten noch ausgerissen waren. Doch da es sich bei dem Baldachin wohl um eine Spezialanfertigung handelte, schien es denkbar, daß in irgendeinem Winkel des Hauses noch eine ganze Rolle Kordel herumstand.
Der glatzköpfige Diener nahm mit der ihm eigenen Gemächlichkeit der Kranken die Schüssel ab und stellte sie auf das Tablett auf dem Rollwagen. Mit dem Tablett ging er zur Wendeltreppe und stieg sie hoch. Irgend etwas in mir sagte, daß ich ihm folgen sollte. Ich entfernte mich von der Scheibe und nahm die zweite Außentreppe nach oben. Auf der obersten Terrasse stand ich wieder vor einer Panoramascheibe, und wieder konnte ich zunächst nichts Verdächtiges erkennen. Der Schnitt dieser Etage entsprach in etwa dem der unteren. Es schien sich um das Reich des Dieners zu handeln, das sich vom Schlafzimmer der alten Frau schon durch seine Helligkeit abhob. Ebenfalls mit asiatischem Einschlag, was Einrichtung und Accessoires betraf, war dieser Ort jedoch nüchterner gestaltet. Er schien eine Kreuzung aus Bibliothek, Archiv und Büro zu sein. Meterlange Aktenreihen und ebenso viele Bücher stapelten sich in den Regalen. Ich nahm an, daß der Glatzkopf auch die Geschäfte für die Todgeweihte führte.
Dafür sprach auch ein vor Papierkram überbordender Glasschreibtisch, auf dem gleich drei Computermonitore standen. Sie waren angeschaltet und zeigten Zahlenreihen und irgendwelche psychedelischen Muster, mit denen ich nicht viel anzufangen wußte. Daneben türmten sich technische Apparaturen. Ich tippte auf Meßinstrumente, weil sie winzige runde Displays enthielten, wie sie für die Darstellung von
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