Felidae 4 - Das Duell
Krankersohntheorie das provisorische Krankenhaus in der Manufaktur und die vielen Ä rzte im Wartestand erklären, die sich die Zeit damit vertrieben, für die Freßtests ein paar Tierchen einzu f angen.
»Wir sollten gehen, Paps«, sagte Junior und machte sich Richtung Wendeltreppe auf. »Draußen sieht es echt schlimm aus. Und ich würde es mir nie im Leben verzeihen, wenn unsereiner von einem doofen Bernhardiner mit einem doofen Faß um den Hals gerettet werden müßte.«
»Eine Sekunde noch, Junior«, sagte ich. Da ich nichts mehr zu verlieren hatte, setzte ich alles auf eine Karte.
»Nachdem sich alle meine Verdächtigungen als falsch erwiesen haben, Adrian, macht es dir sicherlich auch nichts mehr aus, mir bei der Beerdigung meines letzten Zweifels zu assistieren.«
Der Angesprochene schlug die Augen wie eine genervte Diva stirnwärts.
»Ich ahne, was du vorhast. Francis, du bist wirklich krank!«
»Paps, es reicht jetzt!« sagte Junior. »Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber langsam machst du dich lächerlich.«
»Scheiße ja!« unterstützte ihn Blaubart. »Vertrödeln wir hier nicht länger unsere Zeit.»
Ich blieb standhaft und trotzte ohne Regung Adrians verdrießlichem Blick.
»Bitte, nur zu ...« sagte er schließlich mit jener Art von ratlosem Achselzucken, mit welchem man gewöhnlich das Verhalten von Irren kommentiert.
Ich durchquerte den Raum und machte vor den Tiefkühltruhen halt. Die cremefarbenen glatten Kästen wirkten in dem fahlen Licht wie Monolithen aus einer anderen Welt. Ihre Edelstahlverkleidung spiegelte ganz schwach die Schneekaskaden hinter den Fenstern. Ich schaute zu ihnen auf, als stünde ich vor einer Offenbarung.
»Blaubart, Junior, kommt schnell hierher und stellt euch nebeneinander!«
Sie taten, wie ihnen geheißen, und stellten sich vor den Kühltruhen auf. Ich hüpfte hoch und landete auf ihrem Rücken. Dann erhob ich mich auf die Hinterbeine und drückte mit den Vorderpfoten mit aller Kraft von unten gegen eine Truhentür. Sie ließ sich leichter öffnen als gedacht. Ein Spalt entstand, durch den ich schnell meinen Kopf hineinsteckte. Trübes Licht flutete in die Kiste, und ich konnte endlich erkennen, was sich darin verbarg.
Ich ließ die Tür wieder zuschlagen, stieg von Blaubart und Junior hinunter und drehte mich zu Adrian zurück.
»Du hast gelogen«, sagte ich. »In der Truhe befindet sich kein Frischfleisch.«
Seine Schnurrhaare vibrierten erregt.
»Nein?«
»Nein. Sie ist leer!«
»Na so was!« sagte er. »Dann müssen wir wohl ganz fix wieder etwas nachbestellen.«
Er zuckte erneut die Achseln, als kommentiere er das Verhalten eines Irren. Aber diesmal war es nicht sehr überzeugend.
9.
J uniors Witz drohte Realität zu werden. Auf dem Heimweg schien es gar nicht mehr so abwegig, daß ich bald die Hilfe eines doofen Bernhardiners mit einem doofen Faß um den Hals würde benötigen müssen. Das Schneegestöber hatte sich in ein wahres Ungeheuer verwandelt, das wütete und um sich schlug. Die Schneeflocken sausten einem wie Geschosse um die Ohren. Man konnte auf dem Zickzack der Mauern kaum mehr als zehn Meter geradeaus sehen, dahinter kam eine amorphe graue Wand. Ganz zu schweigen von dem düsteren Himmel, der so aussah, als würde er jeden Augenblick auf die Erde herabstürzen.
Nach dem großen Desaster im Glashaus hatten sich Juniors, Blaubarts und meine Wege getrennt. Auch Kong und seine Altherrengruppe waren verschwunden . A ls wir das Erdgeschoß passierten, aalten sich auf dem edlen Mobiliar nur mehr die verzärtelten Hausbewohner. Ich hatte mittlerweile die Hälfte der Strecke nach Hause zurückgelegt, und die Gartenlandschaft unter mir ähnelte mehr und mehr einer arktischen Einöde voller Eisberge in Zwergformat, die durch die eingeschneiten Pflanzen, Baume und Gartenmöbel entstanden waren. Das Labyrinth der Gartenmauern, meine mir so vertraute Rennstrecke, hatte sich in gefährliche Rutschbahnen mit Schneebarrikaden verwandelt. In regelmäßigen Abständen heulte der Wind furchterregend auf und gab dem Wetterrüpel eine Stimme. Diese grimmige Welt der Kälte hinderte mich einstweilen daran, über meinen zerstörten Ruf im Revier zu sinnieren, den wohl nur noch ein Wunder wieder herzustellen vermochte. Weitere Ablenkung schien das Objekt zu versprechen, das plötzlich aus dem Wirbeln der Schneeflocken vor mir auftauchte und das farblich einen vollendeten Kontrast zu der Umgebung bildete.
Wie gern hätte
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