Felidae 4 - Das Duell
kommend aussah. Dies erschien mir als klarer Hinweis darauf, daß es sich bei dem Täter um ein Tier handelte. Denn das Bild eines Naßfutter schlingenden, später den Finger in den Rachen steckenden und dann eine hübsche Schlangenlinie kotzenden Menschen erschien mir geradezu lachhaft. Sicher besaß ein Mensch auch technische Möglichkeiten, um so etwas zu bewerkstelligen, aber der Gedanke daran erschien mir noch absurder.
Nachdem der Mörder sein Werk vollendet ...
Ich riß mich herum und starrte mit angehaltenem Atem in die schneegepeitschten Gärten. Die unmittelbare Gefahr, in der ich schwebte, hatte ich während der Kombinationsübung völlig außer acht gelassen: Er mußte noch irgendwo hier sein! Wenn er tatsächlich gewollt hatte, daß ich sein Kunstwerk entdeckte, dann würde er diesen Spaß nicht verpassen wollen. Schließlich hatte er sich gestern abend auch nicht nehmen lassen, meine Reaktionen beim Auffinden des Strangulierten zu beobachten.
Es war nichts zu sehen. Immer noch fegten die Schneeschleier pfeifend durch das Revier. Hier und da ragte der grobe Umriß einer quietschenden Kinderschaukel oder einer Laube hervor, und wenn man die Augen zusammenkniff und ganz konzentriert in die Ferne blickte, konnte man dämmrige Lichter in der Rückfassade des Häuserkarrees erkennen. Doch von den glühend leuchtenden Augen des Monsters keine Spur. Nanu, hatte das Scheusal plötzlich etwas Besseres vor, daß es sich den Anblick eines vor Angst schlotternden Francis' entgehen ließ?
Ich beruhigte mich ein wenig und richtete den Blick wieder auf die tote Bombay. Seitdem ich auf sie gestoßen war, mochten vielleicht zwei, drei Minuten vergangen sein, und doch hatte der Schnee sie in dieser kurzen Zeit bereits lückenlos zugedeckt. Die Angst wich der Trauer – in meinem Leben hatte ich solcherlei Bestialitäten schon zur Genüge gesehen, ohne aber jemals verstanden zu haben, weshalb Lebewesen, die nichts mehr als den Tod fürchten, so sehr vom Töten besessen sind. Ich wollte weinen, doch meine alte Leidenschaft, die Neugier, ließ meine Gedanken schnell wieder ins Reich der Spekulation zurückkehren. Ich wollte das Mordmotiv finden, und zwar hier und jetzt.
»Was will uns der Künstler damit sagen?« Diesen abgedroschenen Spruch h ä tte ich verwendet, wenn die Sache nicht so makaber gewesen wäre. Mr. X hatte also mit seinen Opfern Bilder arrangiert. Um Zeichen zu setzen? Um sich Gehör zu verschaffen? Ich dachte wieder an die erste Leiche. Der Artgenosse war nicht a n der Folge der Strangulation gestorben, wie Adrian korrekt erkannt hatte. Man hatte ihm schon vorher das Lebenslicht ausgeblasen. Er hatte am Brunnen lediglich einen Strangulierten gemimt . Auf was sollte mich die Strangulation aufmerksam machen? Ich überlegte ... und überlegte ... und überlegte ...
Fabulous' Bericht von den Todeslagern in Asien und die dort bevorzugte Tötungsmethode der Strangulation drängten sich mir wieder ins Bewußtsein. Ob solche Lager nun existierten oder nicht, in diesem Zusammenhang war es eine Lüge gewesen. Schon verblüffend, wie paßgenau der Erklärungsversuch meines falschen Engels gewesen war. Vielleicht ... Nein, das war etwas weit hergeholt! ... Oder doch nicht? Ja, vielleicht hatte der Mörder gewußt, daß Fabulous mir genau dieses Märchen auftischen würde. Der Mord und die Entlarvung der Lüge sollten für mich quasi Ansporn sein, hinter das eigentliche Geheimnis zu kommen. Was wiederum bedeuten würde, daß es Mr. X gar nicht aufs Töten ankam, sondern darauf, die Lügnerin zu überf ü hren. Er war sozusagen ein Moralist, wenn auch ein mörderischer.
Wie aber verhielt es sich mit dem zweiten Mord? Auch in diesem Fall ging es ganz offenkundig um einen Hinweis auf eine weit komplexere Sache, nur daß der Hinweis wieder als vermeintliche Mordursache verkleidet war. Wie bei dem ersten sollte ich über Irrungen und Wirrungen zur eigentlichen Wahrheit durchstoßen. Oder genauer, ein neuer Lügner sollte enttarnt werden! Ich trat von der Leiche einige Schritte zurück und versuchte, die Perspektive eines Unvoreingenommenen einzunehmen. Was würde dieser in Anbetracht des schrecklichen Bildes denken, fragte ich mich. Antwort: Die Bombay war anscheinend an einer Futtermittelvergiftung gestorben. Vielleicht am unausgereiften neuen Produkt eines Futtermittelherstellers. Woran erinnerte mich das nur? ...
Richtig!
»Es heißt, Animalfarm bringe ein neues Futter auf den Markt. Es soll die Zielgruppe der
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