Felidae
Blaubart nicht ausrichten lassen, da ß du kommst?«
»Dazu war keine Zeit. Es sind sehr viele und wichtige Dinge passiert, seitdem wir uns das letzte Mal getroffen haben, Pascal. Dinge, die im Zusammenhang mit der Mordserie stehen und die die Aufklärung beschleunigen werden. Ich brauche deine Hilfe, vor allem die deines Spielzeugs.«
»So? Nun ja, das freut mich natürlich. Aber möchtest du nicht etwas essen, bevor du zu erzählen beginnst? Ziebold, mein Halter, hat frisches Herz zubereitet.«
»Nein, danke. Ich habe jetzt keinen Hunger. Außerdem möchte ich keine Zeit verschwenden und alles, was ich weiß, so schnell wie möglich loswerden. Meine Kombinationsgabe reicht nicht mehr aus, um dieses Kuddelmuddel aus Geheimnissen, Halbwahrheiten und Täuschungen zu entwirren. Da müssen sich zwei Superhirne kurzschließen. Ich wollte eigentlich schon heute Vormittag hier sein, doch es ist mir etwas dazwischen gekommen.«
Pascal schmunzelte, da er wohl an meinem Geruch bemerkt hatte, was dazwischen gekommen war.
»Vielen Dank für das Kompliment, den verrotteten Apparat in meinem Schädel als super zu bezeichnen. Das einzige, was an mir noch super ist, ist mein dem Tod immer ähnlicher werdender Schlaf. Etwas Gutes hat die Sache ja. Wahrscheinlich werde ich den Übergang vom einen in den anderen Schlaf nicht merken. Ich hoffe aber, da ß ich dir trotzdem weiterhelfen kann. Also schieß los, mein Freund.«
Ich ratterte wie ein Maschinengewehr alle Ereignisse herunter, die seit unserer ersten Begegnung vorgefallen waren. Wie ich mich mit eigenen Augen von Felicitas' Tod überzeugt hatte und wie ich wie in Trance heimgekehrt war, um in der Nacht das Tagebuch im Keller zu finden. Welche Monstrositäten diese Aufzeichnungen enthalten hatten und welche gravierenden Auswirkungen sie bis in die Gegenwart zeitigten. Dann den Überfall der Kongschen Armee und wie wir gemeinsam auf Solitaires Leiche gestoßen waren. Wie Jesaja, der gute Totenwächter, plötzlich aufgetaucht war, nur um neue Tore zu neuem Grauen aufzustoßen. Ich berichtete über den sogenannten Tempel und über seine mit Blumen geschmückten Bewohner. Und letztlich über den mysteriösen Propheten, der angeblich für das immerwährende Massaker verantwortlich war. Danach legte ich ihm meine zahlreichen Theorien und Vermutungen dar, wobei ich der Fairness halber darauf achtete, ihre einzelnen Folgewidrigkeiten und Haken nicht zu unterschlagen. Während meines Vortrages wechselte Pascals Gesichtsausdruck immer wieder; er zeigte Bestürzung, Überraschung und Unverständnis, und er wurde von Minute zu Minute unruhiger. Ich beendete meinen Vortrag mit der Beschreibung meines vormittäglichen Liebesabenteuers und dessen betörender Heldin und der Wiedergabe von Blaubarts Ansichten über diese neu aufgetauchte Rasse im Revier.
Pascals Antwort auf die Informationsflut war zunächst ein sehr langes Schweigen, welches mir wie eine Ewigkeit vorkam. Es war eine berechtigte Pause, denn er mu ß te erst einmal die vielen Unglaublichkeiten verdauen.
»Puhh!« machte er endlich, und ich war ihm dankbar, weil er damit den Bann der gespenstischen Stille unterbrochen hatte.
»Ich lebe seit Jahren in diesem Bezirk, Francis, und habe nicht einmal einen Bruchteil von all den entsetzlichen Dingen registriert, die du in so kurzer Zeit herausbekommen hast. Zugegeben, ich bin ein Greis und nicht mehr flink auf den Beinen, aber die Funde, die du gemacht hast, sind derart unfa ß bar, da ß ich über ihre Existenz einfach hätte Bescheid wissen müssen !"
»Nun ja, der Zufall kam mir mehrmals zu Hilfe«, schwächte ich sein Lob ein wenig ab.
»Trotzdem! Ich habe hier einen Ruf als Besserwisser und Vertrauensperson. Und jetzt stellt sich heraus, da ß in Wirklichkeit nur das erste Substantiv auf mich zutrifft.«
»Was mich wundert, ist, warum die vielen hundert Ermordeten dort unten in der Katakombe nicht in deiner Computerliste aufgeführt sind.«
»Ganz einfach, lieber Freund. Weil sie als Leichen gar nicht erst in Erscheinung getreten sind. Schau, es herrscht eine pausenlose Fluktuation im Revier, so da ß man schnell den Überblick verlieren kann. Die Artgenossen, die sterben, ich meine, die eines natürlichen Todes sterben, werden von ihren Besitzern in einem Tierfriedhof bestattet oder irgendwo im hauseigenen Garten verscharrt. Oder die Besitzer ziehen um und nehmen ihre Lieblinge selbstverständlich mit sich. Andere Brüder und Schwestern wiederum reißen aus, wechseln
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