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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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zu entfernteren Revieren über und werden nicht mehr gesehen. Auf welche Art diese vielen Artgenossen auch immer verschwanden, es gab nie einen Grund zu der Annahme, da ß sie ermordet wurden. Bei den sechs Mordopfern in meiner Computerdatei handelt es sich um solche, die man mit einer Bi ß wunde am Nacken fand, das heißt um solche, die ausdrücklich als Opfer eines Mordes identifiziert wurden. Wenn aber der Mörder seine vorherigen Opfer stets fleißig in die Unterwelt befördert hat, konnten sie natürlich schlecht als Leichen in der Oberwelt und infolgedessen in meiner Computerdatei auftauchen.«
    »Hast du die Artgenossen vermerkt, die plötzlich, aus welchen Gründen auch immer, das Revier verlassen haben?«
    »Natürlich.«
    »Wir können also anhand dieser Liste nachträglich prüfen, wie viele ohne einen ersichtlichen Grund verschwunden sind und wann das genau war?«
    »Mit größter Wahrscheinlichkeit. Aber es wird schwer sein, die Mordopfer von denen zu unterscheiden, die tatsächlich mit ihren Besitzern ausgezogen oder ausgerissen oder eines natürlichen Todes gestorben sind.«
    »Das riecht nach Arbeit, doch nur so können wir feststellen, in welcher Periodizität der Mörder ans Werk ging und immer noch geht und vor allen Dingen, wann der Terror eigentlich exakt angefangen hat. Die nächste ungeklärte Frage ist, weshalb er seine letzten sieben Opfer nicht mehr Jesaja, dem guten Totenwächter, anvertraut hat.«
    Pascal erhob sich ächzend von seinem Kissen und probierte halbherzig einen Buckel. Dabei lächelte er verlegen, als sei er mir diese Geste als Ausgleich für das Elendsbild, das er bot, schuldig. Es war ein deprimierender Anblick, wie er seinen zermürbenden Kampf gegen die Arthritis und die Degeneration der Gelenke vor mir zu verbergen suchte. Vermutlich funktionierten auch alle seine anderen Organe und Sinne nicht mehr so recht. Er stieg vom Kissen herunter und ging bedächtig im Zimmer auf und ab.
    »Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt, Francis. Denn es ist ein Hinweis darauf, da ß unser Freund Fehler zu machen beginnt.«
    »Bist du dir da so sicher? Für mich besitzt diese Annahme einen riesigen Klumpfu ß . Ich kann mir nämlich gar nicht vorstellen, da ß solch ein Wunderkind des Horrors überhaupt einen einzigen Fehler macht.«
    »Es ist aber die einzige Erklärung für sein verändertes Verhalten.«
    Man merkte ihm nun förmlich die Begeisterung für das Jonglieren mit Ideen. und Kombinationen an, das für seinen überragenden Geist so notwendig war wie die Luft zum Atmen. Es hatte ihn richtig gepackt. Er sprach immer stürmischer, und auch seine Bewegungen nahmen an Schwung und Schnelligkeit zu.
    »Also, ich bin jetzt der Mörder«, sagte er. »Ich gehe in regelmäßigen Abständen in die Nacht hinaus, um aus Motiven, die nur Gott und mir bekannt sind, meine Artgenossen zu ermorden. Ich morde und morde, und immer verwische ich meine Spuren, indem ich mir die Leichen zwischen die Zähne klemme, sie zu den verborgenen Eingängen der Luftschächte und aufgegebenen Wasserkanäle schleppe und durch sie in die Katakombe befördere. Aber von heute auf morgen gebe ich diese Methode auf, was bedeutet, da ß man meine Freveltaten über kurz oder lang herausbekommen und mich jagen wird. Warum tue ich das? Warum tue ich etwas, was mich in Gefahr bringen könnte? Nun ja, ich habe keine Lust mehr. Weshalb noch aufwendig Spuren verwischen, wenn von diesen Hornochsen im Revier doch keiner in der Lage ist, mich zu schnappen.«
    »Falsch!« rief ich. Das Rätselraten brachte auch mein kombinationssüchtiges Hirn in Ekstase. Es putschte mich auf und löste in meinem Kopf eine Kettenreaktion von Denkmöglichkeiten aus.
    »Du vergi ß t, da ß unser Freund die Logik in Person ist. Er verfolgt ein ganz bestimmtes Ziel mit seinen Schreckenstaten und geht dabei generalstabsmäßig vor. Nie würde ihm einfallen, aus einer Laune heraus oder aus Überheblichkeit auch nur einen Deut von dieser Vorgehensweise abzuweichen. Weshalb sollte er das, da sie sich doch bis jetzt so glänzend bewährt hat. Nein, nein, er hat einen speziellen Grund für den Abbruch seiner sinnvollen Strategie. Aber was für einen, zum Henker?«
    Pascal blieb abrupt im Lichtkegel eines der Spots stehen, so da ß sein schwarzes, schimmerndes Fell wie von einer Aura umgeben schien und er wie ein vom Himmel herabgestiegener Engel wirkte. Er ri ß den Kopf ruckartig in meine Richtung und blickte mich mit seinen gleißend gelben Augen

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