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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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persönliche Note durchsetzen können. Immerhin prangten an den Wänden farbige Vergrößerungen von Hieroglyphen, Gipsimitationen von Sarkophagdeckeln und, sieh mal an, ein herausragend kunstvolles Relief, das die Göttin Bast in Gestalt einer Artgenossin darstellte.
    Als Gustav und Archie meiner gewahr wurden, lächelten sie mir einfältig zu und erhoben ihre Gläser zum Gruße. Ich schenkte den beiden Komikern keine Aufmerksamkeit und inspizierte rasch den Rest der Wohnung. Verglichen mit dem übrigen Modemischmasch war das Arbeitszimmer noch das annehmbarste. Altenglisch möbliert, mit klobigen Bücherregalen im klassischen Bibliothekstil, die bis zur Decke reichten und lediglich von einer antiken Leseleuchte dämmrig beleuchtet wurden, strahlte es die angenehm beschauliche Atmosphäre aus, die ein beschaulicher Denkarbeiter wie Gustav benötigte. Das dritte Zimmer und die Küche waren wieder Archies Umgestaltungswahn zum Opfer gefallen und beherbergten alles mögliche, was sich irgendwelche aus seriösen Einrichtungsfirmen gefeuerten Verrückten ausgedacht und, schlimmer noch, in die Tat umgesetzt und, am schlimmsten, an solche wehrlosen Menschen wie Gustav verkauft hatten.
    Doch Schlu ß mit der Jammerei. Was geschehen war, war geschehen. Zumindest würde nun wieder die Routine einkehre n in der mein geistig zurückgebliebener Freund und ich wie in den guten, alten Zeiten Klassikplatten hören, uns im Fernsehen diese herrlichen Fred-Astaire-Filme anschauen und von den Blicken neidischer Gesundheitsapostel wie Archie ungestört lustige Fre ß orgien veranstalten würden. Wie in guten, alten Zeiten? Wohl kaum, wenn nicht bestimmte Dinge in Ordnung gebracht wurden, die einfach in Ordnung gebracht werden mu ß ten.
    Nach einem Kraftfrühstück aus unterschiedlichen erlesenen Fleischsorten und LatziKatz, das Gustav zur Feier des Tages hatte springen lassen, machte ich eine Stippvisite in die Katakombe. Jesaja, den ich im Tempel schlafend vorfand und erst wecken mu ß te, drehte vor Freude schier durch, als er mich wieder sah. Nach herzlicher Begrüßung fragte ich ihn, ob sich der Prophet zwischenzeitlich wieder gemeldet oder gar den guten Totenwächter mit neuen Sendungen beschert habe, was ja im Hinblick auf das heilige Datum durchaus im Bereich des Möglichen liegen mochte. Der Perser verneinte die Frage und fügte zaghaft und in seiner umständlichen Art hinzu, da ß ihm das Leben in der Unterwelt langsam zum Hals heraushinge. Als erste Resozialisierungsmaßnahme lud ich ihn daraufhin zu der mitternächtlichen Konferenz ein. Doch da machte er einen Rückzieher und leierte Millionen von Gründen herunter, weshalb er ausgerechnet diese Nacht nicht erscheinen könne. Der wahre Grund für seine Scheu lag auf der Pfote : Der Prophet hatte das Ausgehverbot noch nicht aufgehoben.
    Ich verließ die Katakombe nach ein paar Stunden mit dem Vorsatz, alles in meiner Macht Stehende zu tun, dieses bemitleidenswerte Geschöpf aus dem Lügengebäude zu befreien, das der Mörder speziell für es errichtet hatte.
    Dann kehrte ich wieder heim, um Gustav bei den Vorbereitungen zum Fest zuzusehen. Nach alter Tradition verbrachte er den Heiligabend allein, wenn man von meiner Wenigkeit einmal absah. Archie war schon längst verschwunden, um zu irgendwelchen eidgenössischen Skihütten zu düsen, wo Horden von Jet -S et-Primaten auf die unkonventionelle Tour Christi Geburt feierten, wahrscheinlich sich gegenseitig begattend und lauter Thurn und Taxis zeugend. Bis zum Abend wurde ein verkrüppelter Tannenbaum im Wohnzimmer aufgebaut und mit Schokoladenengeln und Plastikkerzen gar festlich geschmückt. Hinterher wurde der Lammbraten in den Ofen geschoben.
    Wiewohl mein Freund guter Dinge war, stimmte es mich doch recht wehmütig, da ß ihn auch dieses Jahr niemand zu einem Weihnachtsessen eingeladen hatte. Es war auch stark anzunehmen, da ß auch niemand auf eine Einladung seinerseits reagieren würde. Gustav, so mu ß te ich nun erneut konstatieren, war und blieb der geborene Einsame, dessen Existenz niemand ernst nahm und dessen Tod nichts weiter als eine automatische Abmeldung bei den Elektrizitäts- und Wasserwerken zur Folge haben würde. Sicher, da waren noch Archie und ein paar andere, die er in seiner Blindheit Freunde nannte. In Wirklichkeit jedoch waren sie allesamt gesichts- und namenlose Bekannte und benahmen sich auch so. Hin und wieder beehrten sie uns zu einem Abendessen und brachten als Geschenk eine Flasche Wein mit.

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