Felidae
spöttischer Gesichtsausdruck verwandelte sich schlagartig in eine steife Fratze, in der Verachtung und Hilflosigkeit einander abwechselten. Seine Augenlider zuckten nervös, und er nahm, sein Maul wie ein nach Nahrung jagender Fisch öffnend und wieder schließend, mehrmals Anlauf, bevor er etwas sagte.
»Ich erwische diesen Bastard früher oder später sowieso. Da brauche ich mir nicht erst eure beknackten Informationen anzuhören.«
Pascal lächelte kalt und trat ein paar Schritte zurück, so da ß er wieder ins Blickfeld des Publikums geriet.
»Niemanden wirst du erwischen, du Narr! Glaubst du, dieser Kerl wird eines Tages an deine Tür klopfen und dich um Entschuldigung bitten? Pah! Wie naiv du bist. Wir haben es hier mit dem Satan persönlich zu tun, nicht mit einem Trottel von deinesgleichen!«
Der Pascha spürte nun die vorwurfsvollen Blicke seiner Untertanen, die inzwischen jegliche Loyalität vermissen ließen, und rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her. Die Autorität ihres Chefs in Gefahr wähnend, pöbelten Herrmann und Herrmann die hinter ihnen stehenden Artgenossen aggressiv an und stierten drohend in die Menge. Der Chef selbst aber schien bereits klein beizugeben.
»Man wird doch wohl noch einen Witz reißen dürfen, verdammt!« murmelte er schließlich beleidigt und ließ frustriert den Kopf hängen.
»Es sind schon zu viele Witze gerissen worden, Kong«, entgegnete Pascal traurig. »Das Problem ist nur, da ß unser mordender Freund keinen Humor besitzt. Er lacht nicht, er schmunzelt nicht einmal. Er hat dem Lachen ade gesagt, seitdem er ein viel aufregenderes Vergnügen entdeckt hat. Kommen wir also zu den schrecklichen Dingen, zu deren Anhörung wir uns zusammengefunden haben. Das Wichtigste, was ihr wissen mü ß t, ist die schockierende Tatsache, da ß unser Distrikt nicht erst seit kurzem von einer Mordserie heimgesucht wird. Die Aktivitäten des Mörders reichen mit größter Wahrscheinlichkeit bis ins Jahr '82 zurück. Und es sind keine sieben Opfer zu beklagen, wie wir bis jetzt angenommen haben, sondern ungefähr vierhundertfünfzig."
Ein Aufschrei ging durch die Menge, und ein hysterisches Getuschel begann. Viele schüttelten ungläubig den Kopf oder seufzten schockiert. Doch nach und nach erlosch das Geraune und machte einem resignierten und entsetzten Schweigen Platz.
Obgleich Pascals Verlautbarung sich für nicht Eingeweihte mehr als unrealistisch anhören mu ß te und den Skeptikern Anla ß bot, unsere Untersuchung nun erst recht in Zweifel zu ziehen, ja sie als Schwachsinn einzustufen, regte sich seltsamerweise kein Widerspruch. Denn im Grunde ihres Herzens, so vermutete ich, hatten es alle die ganze Zeit schon gewu ß t. Fast jedem mu ß te im Lauf der Jahre irgendwann aufgefallen sein, da ß Freunde, Bekannte, Verwandte, Brüder und Schwestern ohne ein erklärbares Motiv ganz plötzlich verschwunden waren. Sie wurden nie mehr gesehen, kehrten nicht wieder zurück. Da ß diese beängstigende Entwicklung scheinbar unbemerkt stattfinden konnte, beruhte auf demselben Mechanismus, auf dem sich alle Gewaltherrschaften etablieren konnten, denen man nicht rechtzeitig Einhalt gebot. Das Böse hatte immer dort eine Chance, wo es mit wohlwollender Ignoranz rechnen konnte. Mit anderen Worten, die Dinge kamen immer so weit, wie man sie kommen ließ. Bequemlichkeit war das Hauptübel dieser Welt, die Geißel jedes intelligenten Lebewesens, und für diese Charaktereigenschaft war meine Art besonders empfänglich.
Ohnmächtiger Zorn begann in mir emporzusteigen, je länger ich diese Heuchler betrachtete, die jetzt so taten, als fielen sie aus allen Wolken, obwohl sie sich in Wirklichkeit sehr wohl darüber im klaren waren, was sie über so lange Zeit geduldet hatten. Das war die hä ß liche Seite der Felidae - oder die wahre? Nie war ich näher dran, die ganze Sache hinzuschmeißen, als in diesem Moment. Sollten sie die blutige Suppe, die sie sich eingebrockt hatten, gefälligst selber auslöffeln! Sollten sie nun allein versuchen, die inzwischen perfekte Routine des Mörders lahmzulegen!
Bevor ich mich von diesem Groll zu unüberlegten Taten hinreißen ließ, begann Pascal mit dem Vortrag des Untersuchungsberichtes, als ob er meine Gedanken erraten hätte. Er erzählte von der geisterhaften Gerippearmee, die sich unter der Erde befand, und wie wir es angestellt hatten, ihre zahlenmäßige Stärke zu extrapolieren. Dann machte er die Anwesenden auf die inzwischen gesteigerten
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