Fenster zum Tod
ging es genauso. Was wir zu guter Letzt zu sehen bekamen, war allerdings noch schlimmer. Nicole setzte sich auf und erwischte den Eispick schneller als Lewis. Doch sie zog ihn nicht heraus, um ihn ihm an einer anderen Stelle erneut hineinzurammen. Und sie trieb ihn auch nicht noch tiefer hinein. Sie riss daran, so dass er sich seitwärts einen neuen Weg durch Lewis’ Fleisch bahnte. Lewis schrie wieder auf und schlug wild mit dem Bein um sich. Er traf Nicole, die auf der Seite lag und sich auf einen Arm gestützt hatte, mitten in die Brust.
Sie fiel auf den Rücken, war aber gleich wieder auf den Beinen.
Lewis robbte herum und suchte seine Waffe. Sie lag in einer rasch größer werdenden Pfütze seines eigenen Blutes. Er wollte sie ergreifen, doch wieder war Nicole schneller.
Sie umklammerte den Griff, der feucht war vom Blut und richtete den Lauf auf Lewis’ Kopf. Er hatte sich auf den Rücken gerollt, sich mit den Armen halb aufgerichtet und rutschte rückwärts, wie ein Krebs, das verletzte Bein hinter sich herziehend.
Nicole lag jetzt auf den Knien, hielt die Pistole mit beiden Händen umklammert. Ihre Arme waren gestreckt und ruhig. »Ich hasse Schusswaffen«, sagte sie. Ihre Bluse war aufgerissen, darunter war etwas Dunkles, Gepolstertes zu sehen.
Eine schusssichere Weste.
»Nicole«, sagte Lewis. »Hör mal, hör mir –«
Sie drückte ab und schoss ihm ein Stück des Schädels weg. Er fiel nach hinten. Der Boden um ihn herum war eine einzige Masse von Blut, Knochen und Hirn.
Howard schlug sich eine Hand vor den Mund, als müsse er sich übergeben. Er drehte sich um, riss den Vorhang zur Seite und rannte los. Nicole stürzte ihm nach.
Aus der Ferne hörte ich Sirenen.
Ich riss mir das Klebeband von der linken Hand und zerrte an dem Band, mit dem ich an die Stuhllehne gefesselt war.
Die Sirenen wurden lauter.
Aber noch näher, in der Hintergasse, war ein Wagen zu hören, der mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Jemand schrie. Eine Frau.
»Thomas!«
Scheiße.
Es gelang mir, mich vom Stuhl loszureißen. Über verstreutes Spielzeug hinweg hechtete ich vor zu Lewis’ Leiche.
Er hatte eine Pistole im Hosenbund stecken. Vielleicht war es die von Morris.
Im Vorderraum hörte ich pfft, pfft, dann das Geräusch eines weiteren fallenden Körpers.
Von draußen: »Ray!«
»Thomas, bleib stehen.«
Julie.
Ich lag auf den Knien und wollte die Waffe packen, da wurde der Vorhang wieder aufgerissen. Ich blickte hoch und sah gerade noch, wie Nicoles Stiefel sich meinem Gesicht näherte.
Er traf mich mit voller Wucht am Kinn.
Ich sah Sterne und fiel hintenüber. Instinktiv streckte ich die Arme aus, um mich abzufangen, trotzdem war die Landung extrem schmerzhaft. Etwas Scharfes bohrte sich mir in den Rücken und flitzte dann unter mir weg. Ein Spielzeugmüllwagen.
Meine rechte Hand berührte einen der anderen Gegenstände, die vom Regal gefallen waren. Noch bevor ich ihn sah, fühlte ich, dass er halb aus Kunststoff, halb aus Metall war.
Nicole zielte auf mich. Doch ehe sie abdrücken konnte, gab es in dem kurzen Flur, der zum Hinterausgang führte, einen heftigen Schlag.
Eine Tür war aufgeflogen.
»Ich bringe Hilfe!«, schrie Thomas. »Ich hab Julie mitgebracht!«
»Nein!«, schrie Julie. Es klang, als sei sie direkt hinter ihm.
Nicoles Blick huschte in die Richtung, aus der die Stimmen kamen, und die Pistole folgte. Thomas wäre tot in dem Moment, in dem er auftauchte.
Ich sah nach, worauf meine rechte Hand zu liegen gekommen war. Es war die blaue Steuerfeder eines etwa dreißig Zentimeter langen Rasen-Dart-Pfeils mit Metallspitze.
Es war nicht gerade ein Wurfspeer. Aber ich war nicht nur ein guter Speerwerfer in der Highschool gewesen, ich war auch ein verdammt guter Dart-Spieler.
In den Millisekunden, ehe Thomas hereingerannt kam, hoffte ich, dass Pfeilewerfen war wie Radfahren. Etwas, das man nie verlernte.
Mein Kopf dröhnte, mein Kiefer und mein Rücken schmerzten, dennoch gelang es mir, den Pfeil blitzschnell am hinteren Ende zu packen, weit auszuholen und ihn mit aller Kraft vorwärtszustoßen.
»Ray!«
Thomas stürmte herein.
Der Pfeil bohrte sich in Nicoles Hals. Vier Zentimeter vielleicht. Tief genug, um stecken zu bleiben.
Sie öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus. Ohne die Pistole in ihrer rechten Hand loszulassen, riss sie die linke nach oben. Sie packte den Pfeil und riss ihn heraus.
Es spritzte in alle Richtungen.
Wie Wasser aus einem Wasserhahn.
Doch es
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