Fenster zum Tod
ich an ihrem Tod genauso schuld war wie er. Ich war schließlich der Idiot, der den Ausdruck gut sichtbar in der Hand gehalten hatte, als ich an die Tür von Allisons ehemaliger Wohnung klopfte, und offensichtlich von einer Überwachungskamera dabei gefilmt wurde.
Nur von dem Anruf, den Lewis in Thomas’ Zimmer entgegengenommen hatte, wusste niemand etwas. Thomas sagte mir, er habe ihn nicht erwähnt, und ich ebenso wenig.
Nach allem, was passiert war, zog Thomas sich noch mehr in sich zurück. Ereignisse wie diese wären sicher für jeden traumatisch gewesen. Trotzdem fragte ich mich, ob Thomas womöglich gerade aufgrund seiner besonderen Veranlagung besser damit zurechtkam. Normalerweise schottete er sich von der Welt ab, außer von jenem Teil, der online zugänglich war. Vielleicht hatte diese Mauer um ihn herum ihn auch ein wenig vor dem wahren Ausmaß des Grauens geschützt.
Ich wusste es nicht.
Er war jedoch ziemlich grüblerisch. Vielleicht hatte es aber weniger mit unseren jüngsten Erlebnissen zu tun als mit dem, wovon er mir hatte erzählen wollen, bevor Nicole und Lewis uns überfielen. Von diesem Vorfall, als er dreizehn gewesen war, dem Auslöser für das Zerwürfnis zwischen Dad und ihm.
Damals hatte er gesagt, er könne sich vorstellen, mit Julie darüber zu reden, doch noch war es nicht so weit. Wir mussten uns erst wieder fangen, ehe wir uns dem nächsten ernsten Thema zuwenden konnten.
Außerdem ging auch mir so einiges im Kopf herum.
Ich hatte in Betracht gezogen, hierzubleiben und mit Thomas im Haus unseres Vaters zusammenzuwohnen, zumindest für eine Weile. Doch als ich Thomas meine Idee vortrug, war er zu meiner Überraschung nicht besonders angetan.
»Ich glaube nicht, dass ich mit dir zusammenwohnen möchte«, sagte er. »Schau dir an, in was für Schwierigkeiten du mich gebracht hast.« Er wolle lieber in dieses Heim ziehen, das ich mir für ihn angesehen hatte, vorausgesetzt, er dürfe seinen Computer behalten.
Trotzdem blieb mir immer noch die Möglichkeit, meine Wohnung in Burlington zu verkaufen und in Dads Haus zu ziehen. Dann wäre ich in Thomas’ Nähe und könnte nach ihm sehen, so oft ich wollte. An unserem letzten Morgen in New York City redeten wir beim Frühstück übers Reisen. Thomas sagte, er würde gerne das Schaufenster einer bestimmten Konditorei in Paris berühren.
»Ich glaube, wenn wir schon so weit wegfahren, dann wollen wir auch hineingehen und von den Köstlichkeiten probieren«, meinte ich.
»Könnten wir machen«, sagte er.
Doch unsere Zukunftspläne waren nicht alles, woran ich immer wieder denken musste. Auch dieser Anruf ging mir nicht aus dem Kopf.
Julie brachte uns in ihrem Wagen nach Hause.
Bei unserer Rückkehr zum Haus meines Vaters stand ein Polizeiwagen quer in der Einfahrt. Ich hätte es mir eigentlich denken können. Die Presse hatte Wind von unserer Geschichte bekommen und sich an unsere Fersen geheftet. Bis jetzt hatten wir einen großen Bogen um Journalisten gemacht, und das nicht nur, weil ich keine Lust auf den ganzen Rummel hatte. Ich wollte auch sicherstellen, dass Julie vor allen anderen Gelegenheit bekam, detailliert und aus erster Hand über uns zu berichten. Ein Exklusivbericht, wie man ihn sich sensationeller nicht wünschen konnte.
Der Uniformierte hinter dem Lenkrad stieg aus, um zu sehen, wer wir waren. Als er unsere Ausweise kontrolliert hatte, machte er uns den Weg frei. Julie fuhr vors Haus und hielt an. Thomas stieg als Erster aus. Er war zwar nicht gerade jemand, der seine Gefühle offen zeigte, dennoch bemerkte ich, wie froh er war, wieder zu Hause zu sein.
Als er sich der Veranda näherte, rief ich ihm nach: »Rühr das Telefon in deinem Zimmer nicht an.«
»Warum?«
»Darum«, sagte ich. »Halt dich am besten fern davon.«
Er erhob keine Einwände. Aus Telefonen machte er sich ohnehin nicht besonders viel. Was er wirklich kaum ertrug, war die Tatsache, dass er keinen Computer mehr hatte, an den er sich flüchten konnte. Er hatte mich auf der Heimfahrt mindestens zehnmal gefragt, wann wir ihm einen neuen besorgen würden.
Ich ging zur Fahrertür. Julie ließ das Fenster herunter.
»Danke«, sagte ich und beugte mich zu ihr hinein.
»Das sagst du ziemlich oft.«
»Das ist, weil du so verdammt hilfsbereit bist.«
»Ich fahr gleich ins Büro. Ich muss einen Artikel schreiben. Hab ich dir schon davon erzählt?«
»Ein bisschen.«
»Vielleicht ruf ich dich später an.«
»Kann’s gar nicht erwarten«, sagte
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