Ferdinand Graf Zeppelin
bittere Niederlage in einen einzigartigen Triumph. Mittwoch, der 5. August des Jahres 1908, der Tag von Echterdingen, sollte damit in die Geschichte eingehen. Ausgerechnet die schlimmste Katastrophe, die man sich nur denken konnte, mutierte zur alles entscheidenden Wendemarke für eine neue Zukunft der Zeppelin-Luftschiffe. Aber das konnte in diesen schicksalsschweren Stunden natürlich noch niemand ahnen.
»Hoch! Hoch! Hoch!«
»Es ist noch nichts verloren!«
»Mut! Mut! Mut!«
Tiefbewegt wandte der Graf sich um und nickte kurz zur Menge hinüber, dann schien er Dürr und dem Offizier eine Frage zu stellen, die der Soldat mit einem Nicken und einer knappen Handbewegung beantwortete.
»Da. Schaut! Er will zu den Verwundeten!«
Tatsächlich ließ sich Zeppelin nun zu der Stelle führen, an der man die Verletzten des Unglücks unter einem provisorischen Zeltdach mit Hilfe von Sanitätern des Grenadierregiments notversorgte und nun auf den Transport wartete, der sie zur Weiterbehandlung in ein Stuttgarter Hospital bringen sollte. Ausführlich und besorgt erkundigte sich der Graf nach ihrem Befinden und wünschte den Patienten eine rasche Genesung. Dem tapferen Mechaniker Schwarz, der bis zuletzt versucht hatte, eine noch größere Katastrophe abzuwenden, drückte er fest die Hand und dankte dem immer noch über und über rußverschmierten Mann mit bebender Stimme für seinen selbstlosen Einsatz. »Ich werde Ihnen das nie im Leben vergessen, Schwarz«, sagte Zeppelin, während es in seinen Augen vor Rührung glitzerte. »Sollte es wider alles Erwarten doch noch eine finanzielle Zukunft für mich und mein Werk geben, dann sind Sie selbstverständlich weiter mit dabei. Das verspreche ich Ihnen hiermit feierlich!«
Daraufhin wandte er sich suchend um, bis er in der Menschenmenge endlich das Automobil ausmachen konnte, das ihn von Echterdingen an den Unglücksort gebracht hatte. Er gab dem Fahrer ein Zeichen und bahnte sich mit Hilfe seiner Begleiter einen Weg durch die eng aneinander stehenden Menschen zu seinem Fahrzeug.
Wie gebannt verfolgten die Männer, Frauen und Kinder jede Bewegung des Grafen. Plötzlich drückte ein älterer Mann mit hochrotem Kopf die Leute grob zur Seite und stellte sich der Gruppe einfach in den Weg, während er mit weit ausgestrecktem Arm anklagend auf den Offizier an Zeppelins Seite deutete.
»Herr Graf! Wir hätten ihn gehalten, wenn man uns nur heran gelassen hätte! Die da sind an dem Unglück schuld!« Während die Hand des Soldaten drohend an den Griff seines Säbels fuhr, schüttelte Zeppelin energisch den Kopf. »Niemand ist schuld. Nach allem, was ich bis jetzt weiß, war es ein Unglück. Das Zusammentreffen unvorhersehbarer Umstände. Wenn überhaupt jemand Schuld daran trägt, dann bin ich es. Sonst gar niemand!«
Damit schob er sich an dem verdutzten Filderbauern vorbei.
Wenig später hatten sie das Automobil erreicht und der Graf kletterte hinein. Im Fond des Daimlerwagens richtete er sich hoch auf und nahm die rauchenden Trümmer des Luftschiffs ein letztes Mal in sein Visier. Dann wandte er sich langsam der Menschenmenge zu und hob grüßend die Hand, während sich das Fahrzeug allmählich in Richtung Echterdingen in Bewegung setzte.
Jetzt gab es kein Halten mehr für die Leute. Wie auf ein unsichtbares Zeichen rannten sie los. »Mut! Mut! Mut!«
»Nicht aufgeben, Herr Graf!«
Die ersten Geldmünzen flogen hinter dem Wagen her, der nur mit Mühe voran kam und schließlich wieder stoppte. »Wir lassen Sie nicht im Stich, Exzellenz!«
»Niemals!«
Der von seinen Gefühlen überwältigte Ferdinand Graf von Zeppelin, über dessen Wangen Tränen der Rührung rannen, präsentierte sich den begeisterten Menschen ein weiteres Mal, während jetzt sogar eine Geldbörse ihr Ziel erreichte. »Ich … ich danke Ihnen allen! Vielleicht … vielleicht …« Er schluckte schwer und schien kurz zu überlegen. Dann nickte er entschlossen und sprach den Satz, auf den sie alle gewartet hatten. »Es ist noch nichts verloren!«
Der Jubel, der diesem Ausspruch folgte, war unbeschreiblich. Auch wenn es nur die Vorderen hatten hören können: alle stimmten in den Jubel und die Hochrufe ein.
Und wieder erklang – inzwischen vieltausendfach – die Aufforderung: »Mut! Mut! Mut!«
Man konnte die Rufe bis nach Echterdingen hören.
»Ein Hoch auf den Grafen Zeppelin!«
»Mut! Mut! Mut!«
Endlich waren sie wieder vor dem Gasthof »Hirsch« in Echterdingen angelangt, wo Zeppelin vor knapp
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