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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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nicht; ich weiß nicht, wie und wann ich drüben loskomme. Aber loskommen werde ich. Was ich dann tue, kann ich noch nicht sagen. Vielleicht tauchen eines Tages zwei Feriengäste bei euch auf, irgendein Herr Schulze mit Frau, und vielleicht kommen dir diese Gäste bekannt vor. Ich werde nie anders denn als Gast im Ferienheime einkehren; ich will diese meine Lieblingsschöpfung mir nicht zum Verwaltungsbezirke, nicht zum Arbeitsgebiete werden lassen, sondern hier soll mir eine Ferienzuflucht, eine glückliche Heimat für immer bewahrt sein.«
    Eva hörte ihm zu und war ihm dankbar für diese Worte. O ja, diese beiden paßten zu einer Ehe, der starke Mann und das schöne, fröhliche Weib.
    »Du freilich, lieber Freund, du hast hier keine Ferien; du hast hier deine Arbeitsstätte. Und wenn du einmal ausspannen willst, dann kommst du zu uns, dann fahren wir mit dir, der dann der Stille entronnen ist, dorthin, wo die Welt laut und bunt ist. Dort machst du dann Ferien von deinem stillen Ich, und wenn du nach Hause zurückkehrst, wird dir das alltägliche Leben wieder schmackhaft sein.«
    »Ja, so wollen wir es halten!«
    »Nun denn, so wären wir wohl für diesmal hier fertig.« Stefenson zog ein Notizbuch heraus und blätterte darin. Sein Gesicht bekam wieder die alte Geschäftsmiene.
    »Halt, da ist noch etwas zu erledigen. Ich habe mir mal als Knecht Ignaz von dem Schuhmacher Röhricht die Stiefel besohlen lassen. Er hat auf die Rechnung geschrieben: Sohlen und zwei Absätze zwei Mark und fünfundachtzig Pfennige, hat aber nur einen Absatz zu machen gehabt. Ich habe ihm daher fünfundzwanzig Pfennige abziehen wollen, und wir haben so lange gestritten, bis ich inzwischen verhaftet wurde und dann alles das andere kam. So steht der Posten noch offen. Ich bitte, erledige das, lieber Freund! Aber nicht zwei Mark und fünfundachtzig Pfennige, sondern nur zwei Mark und sechzig Pfennige, hörst du wohl? Ein Knecht kann nicht fünfundzwanzig Pfennige umsonst hergeben. Vergiß es nicht! Röhricht heißt der Mann, Hintermarkt 15, drei Stiegen!«
    Ein vergnügtes Lachen ertönte aus der Ecke von meiner Mutter Sofa.
    »Was lachen Sie denn, Piesecke?«
    »Ja, Pardon, Herr Stefenson, aber erst dreihunderttausend Mark verschenken und dann wegen fünfundzwanzig Pfennigen - so in der Abschiedsstunde - das - das ist - Pardon -merkwürdig!«
    »Gar nicht merkwürdig, lieber Piesecke. Weil ich immer die Rechnungen auf die Fünfundzwanzig-Pfennig-Bilanz geprüft habe, kann ich mal gelegentlich dreihunderttausend Mark verschenken.«
    »Sehr - sehr kaufmännisch! Sehr lehrreich!«
    »Jawohl ! Aber nicht für Sie ! Für Sie wäre das zu unfürstlich.« Wenig fehlte, so wären auch in letzter Stunde die alten Gegner, der rechnende Kaufmann und der leichtfertige Fürstensohn, noch aneinander geraten. Die dicke Susanne wälzte sich zwischen beide und löschte mit einer Flut von Abschiedstränen den entstehenden Brand.

    Sie sind alle fort. In tiefer Stille liegt der Marktplatz. Ich öffne das Fenster. Die Luft ist milder geworden. Am hocherhobenen Arm des heiligen Baptista hängt ein glitzernder schwerer Eiszapfen wie ein Schwert. Am Himmel stehen zwischen dem Gewölk ein paar freundliche Sterne. Im Schneemantel schaut der Heilige herüber zu mir. Suchen seine Augen die kleine, feine Frau, die sonst so oft zu ihm hinüberträumte?
    Sie ist in weiter Ferne, bei dem, den ihre Sehnsucht suchte in all den alten Tagen. Das Haus ist leer. Ich sehe mich in der großen Stube um, und es ist mir auf einmal bange zumute wie einem Kinde, das nach Hause gekommen ist, wenn Vater und
    Mutter nicht da sind. So schließe ich das Fenster. Unschlüssig bleibe ich noch ein Weilchen stehen, dann ziehe ich die Uhr auf, fühle noch einmal an den Ofen. Endlich lösche ich die Lampe aus und tappe die Treppe hinab . . .
    Ich habe jetzt große Ferien vom Ich. Mutter und Bruder sind fort, der Freund mit der Frau fort, die ich geliebt habe, auch Methusalem und die anderen lustigen Käuze verschwinden bald wieder. Ich stehe ganz frei und ganz allein auf dem Marktplatz von Waltersburg. Schließlich ist der alte Baptista jetzt noch mein einziger ständiger Freund hierzulande.
    Ob die anderen wiederkehren werden? Wer kann es wissen? Wie lange die stille Frau auf der Heimwehfluh sich noch ihres Kindes freuen wird, ein, zwei, drei Jahre . . .? Ob dann, wenn sie Ferien macht für immer, die kleine Anneliese, die jetzt als Schullehrerin in einem verlassenen Gebirgsdorf lebt, doch

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