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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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er, »nun haben sie den Fuchs gefangen, und da sie ihn in der Falle haben, machen sie beleidigte Gesichter, weil der Gefangene knurrt, was doch selbstverständlich ist. Lieber Doktor, Freund und Menschenkenner, bitte, gehen Sie mal freundlichst voran bis zur Lindenherberge und erwarten Sie uns im Poetenwinkel. Wir kommen langsam nach.«
    Ich ging voran, und als die beiden anderen im Poetenwinkel eintrafen, sah ich in ihnen ein glückliches Paar.

    Es war noch nicht spät, wir waren im Poetenwinkel allein, die Feriengäste noch alle beim Abendbrot. Als wir mit dem allerbesten Wein, den der Herbergsvater besaß, angestoßen hatten, sagte Stefenson so ganz nebenher zu mir:
    »Daß der Kerl von der >Umschau< zwei Mark für die Zeile der gefälschten Verlobungsnotiz von Ihnen genommen hat, war unverschämt. Eine Mark wäre auch genug gewesen.«
    »Woher wissen Sie den Preis?«
    »Na, ich war doch drüben in der Redaktion.«
    »In der Zeitung? Wann? Heute nachmittag?«
    »Ja, natürlich! Ich witterte etwas und wollte wissen, woher die >Umschau< die große Neuigkeit habe, und da kriegte ich mit Hilfe einiger Überredungskunst und einigen Papiergeldes den ganzen schönen Schwindel heraus.«
    »Das ist infam!« rief ich.
    »Er hatte alles gewußt«, sagte fassungslos die schöne Eva. »Jawohl, alles!« schmunzelte Stefenson. »Dann, als ich von
    Neustadt zurückkam, ging ich gleich wieder zu unserem Herrn Doktor, und als mir der so ganz geschickt und ganz und gar unauffällig suggerierte, ich solle doch durchaus mal zu der alten Sibylle gehen, da sagte ich mir: Hm, da ist was dahinter! Da werden die Schlauberger mit dir wohl noch was Vorhaben. Und ich ging zu der alten Sibylle.«
    »Er hat mich sofort erkannt«, klagte Eva. »So schlecht habe ich gespielt.«
    »Du hast herrlich gespielt!« rief Stefenson; »du bist eine große Künstlerin. Die Sprache - zum Fürchten; das Äußere zum Schlechtwerden. Zum Beispiel diese borstigen Warzen an Kinn und Hals. Ich habe nie eine schrecklichere Theaterhexe gesehen.«
    »Es ist aus mit meiner Bühnenlaufbahn«, seufzte Eva. »Das ist die furchtbarste Kritik, die ich bekommen konnte. Ich kann ihm nie, nie was vormachen!«
    »Nein«, sagte Stefenson mit großer Befriedigung, »und weil ich jetzt weiß, daß du mir nie etwas vormachen kannst, heirate ich dich. Ich heirate dich mit großer innerer Ruhe und mit sehr großem Vergnügen!«
    Daß uns aber auch diesmal der alte Fuchs übertölpelt hatte, ärgerte mich so, daß mir der gute Wein nicht mehr schmeckte.

Advent

    Es ist nun still geworden bei uns. Stefenson ist nach Amerika hinüber, um in Eile seiner künftigen Frau ein Heim zu bereiten. Diesmal ist er wirklich abgereist; ein Vertrauensmann von mir hat ihn in Hamburg an Bord gehen sehen. Eva wohnt zwar bei ihrem Vater, hält sich aber allermeist im Forellenhof auf, der ihre zweite Heimat geworden ist. Der Bauer Barthel hat seit dem Abenteuer seiner Verhaftung an Reputation etwas eingebüßt und steht jetzt ganz unter dem Regiment der dicken Susanne; aber der alte Friede ist wiedergekehrt.
    Nur ein wenig still ist es. Methusalem und Emmerich, die lustigen Burschen, haben auch längst schweren Herzens von uns Abschied nehmen müssen, um in ihr bürgerliches Leben zurückzukehren, und Piesecke ist vom Forellenhof fortgezogen. Er wohnt jetzt in der Waldschölzerei. Er sagte mir, »er habe an Barthel und Susanne mit der Zeit ein Haar gefunden« und wolle auch Eva aus dem Wege gehen. In Wirklichkeit hegt sein leichtbewegliches Herz bereits eine neue Sehnsucht, und diese Sehnsucht wohnt in der Waldschölzerei. Sie heißt Agathe.
    »Lieber Herr Doktor«, sagte er dieser Tage zu mir, »wenn mich die kleine Agathe will, dann möchte ich sie heiraten und mit ihr immer hier bei Ihnen im Heim bleiben. Vielleicht kann ich mich mit etwas Kapital beteiligen und eine kleine Stellung, so als Subdirektor oder ähnlich, bekommen. Ich möchte nicht wieder fort von hier; die große Welt hat allen Reiz für mich verloren.«
    »Wir wollen abwarten und überlegen, lieber Piesecke.«
    »Ich soll immer abwarten, nie handeln«, sagte er betrübt. »Sie haben eben in Ihrem früheren Leben etwas zu viel gehandelt, lieber Freund. Deshalb sind Sie ja jetzt in den Ferien.«
    Da fügte er sich. -
    Mit dem schweizerischen Namen »Heimwehfluh« ist eines unserer kleinen Anwesen benannt, das in einer Waldecke so abseits vom Wege liegt wie die Genovevenklause. Auf der Heimwehfluh wohnt jetzt Käthe mit ihrem Kinde.

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