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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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beschäftigt. Und alle Häuser baute der Baumeister August Bunkert und wurde ein schwerreicher Mann.
    Noch staunten die Waltersburger, noch lachten einige spöttisch und verächtlich, aber manch einer schwieg schon nachdenklich und dachte bei sich: Was tut sich? Da erschien in den großen hauptstädtischen Blättern ein Inserat: »Waltersburg-Neustadt, entzückend am Südabhange des 450 Meter hohen Weihnachtsberges gelegen, mitten in prachtvollem Hochwald, in grünes Wiesen- und Flußland gebettet, ein Paradies der Gesundheit und des Naturgenusses, bei vorläufig nur fünf Mark pro Quadratmeter Bauland (Anzahlung von 3000 DM an) für alle, die sich ein Eigenheim gründen wollen, eine nie wiederkehrende Gelegenheit. Nur fünfviertel Stunden von der Hauptstadt entfernt. Großer Eisenbahnknotenpunkt. Haltestelle aller Schnellzüge. Täglich zwölfmal Verbindung mit der Hauptstadt. Anfragen an Generaldirektor Baumeister Bunkert in Neustadt erbeten.« Die Proklamation des Deutschen Reiches kann seinerzeit in Berlin keinen so großen Eindruck gemacht haben wie dieses Inserat in Waltersburg. Die Leute lachten, wimmerten, fuchtelten mit den Armen und waren voll neidischer Beklommenheit. Am Abend saß ein ganzer Stammtisch im »Goldenen Löwen« mit der Kreide vor der Schiefertafel und wollte ausrechnen, wieviel ein Morgen Land koste, wenn das Quadratmeter auf fünf Mark komme. Niemand kriegte es heraus, und alle schimpften auf die neumodische Rechnungsart. Selbst den Amtsrichter Knopf verließ seine akademische Bildung; er knurrte, er habe ja nicht Mathematik studiert, und solche Aufgaben könne überhaupt immer nur ein Volksschullehrer herauskriegen. Also schickte man nach dem Lehrer Herder, und der erklärte:
    »Ein Morgen alten Maßes ist ungefähr ¼ Hektar. Ein Hektar hat 10000 Quadratmeter; ¼ Hektar ist also 2500 Quadratmeter groß. Kostet ein Quadratmeter 5 Mark, so kostet ein Morgen 2500 mal soviel, also 12 500 Mark.«
    Als der Lehrer Herder dieses Resultat nannte, schlugen die zehn Männer, die noch mit am Tische saßen, heftig mit den Fäusten auf den Tisch, und zwar alle wie auf Kommando mit einem Hieb. Man schrie den Lehrer an, er müsse sich täuschen. Der aber saß mit der Würde eines Mannes, der von der Unverletzlichkeit und Beweiskraft der Zahl überzeugt ist. Sein ganzes Wesen sagte: meine Rechnung stimmt.
    Da wurde zunächst eine große Stille. Dann sagte einer: »Wenn das wahr ist, sind die Kerle große Gauner; 1000 Mark haben sie für den Morgen gegeben, 12000 Mark verlangen sie.«
    Schweigen. Nach fünf Minuten griff Amtsrichter Knopf die letztgenannten Ziffern auf und sagte: »Sie arbeiten mit elf Prozent.«
    »Elf Prozent gibt ja das Gesetz nicht zu«, bemerkte der Erbscholtiseibesitzer Hirsemann mit einem Blick auf den Amtsrichter.
    Der schüttelte den Kopf, was in diesem Falle »Ja« oder »Nein« heißen konnte. Da ergriff der Lehrer Herder wieder das Wort und sagte:
    »Entschuldigen die Herren, wenn man mit 1000 Mark kauft und mit 12 000 Mark verkauft, so sind das nicht elf Prozent, sondern elfhundert Prozent Gewinn.«
    Sie starrten ihn alle an wie leblos. Nur Bäckermeister Schiebulke, der gerade trank, verschluckte sich. Der Amtsrichter geriet ins Grübeln. Seine Seele wanderte zurück bis etwa in die Tertianerzeit, und dann sagte er: »Ja, natürlich, es sind nicht elf, sondern elfhundert Prozent.«
    Da hoben sich neun Fäuste, um auf den Tisch zu donnern, aber diese Überraschung war zu groß und schwer; die Hände sanken still herab . . .
    Was die allergrößte Hauptsache war: Neustadt, das den Namen Waltersburg zum großen Ingrimm der Mutterstadt nach und nach ganz abgestreift hatte, war auf dem besten Wege, ein aufblühender Badeort zu werden. Zwei »Quellen« waren entdeckt worden, von denen die eine »Kaisersprudel«, die andere »Felsensprudel« hieß, und die beide nach dem Gutachten eines sachverständigen Professors aus der Hauptstadt »hervorragend radioaktiv« waren. Die Neustädter feierten Siegesfeste, während die Waltersburger vier Wochen lang brauchten, ehe sie das Wort »radioaktiv« richtig aussprechen konnten und natürlich auch dann noch nicht wußten, was das sei. Humbug sei es, meinte der Amtsgerichtsrat, und wenn man dieser Auslegung auch viel Beifall zollte, so verschafften sich doch einige Waltersburger heimlich je drei Flaschen von den neuen Sprudeln, und abends wurde im »Löwen« statt der sonst so beliebten Weinprobe eine Wasserprobe abgehalten. Der Pfropfen der

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