Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
bevor er sich zu einem endgültigen Entschluss durchringen konnte, betrat der Hauptkommissar die Küche und nahm auch an dem kleinen rohen Holztisch Platz, der ohne Tischdecke fast ebenso nackt wirkte, wie die Tote auf dem Dachboden.
»Können wir uns unterhalten?«, fragte Lundquist mitfühlend.
Er wusste, dass die meisten Menschen nach einer solch grausigen Entdeckung unter Schock standen. Er selbst hatte nach all den Dienstjahren noch immer große Probleme damit, den gewaltsamen Tod anderer zu akzeptieren. Einige der älteren Kollegen hatten ihm erzählt, dass es bei manchen mit zunehmenden Dienstjahren besser wurde. Andere aber litten bis zu ihrer Pensionierung bei jeder Leiche mit. Sven Lundquist wusste schon jetzt sicher, dass er zu der zweiten Gruppe gehörte.
»Es … es geht schon wieder. Ich … ich glaube, es war nur der Schreck.« Gunnar merkte selbst, dass er stammelte und seine Stimme viel zu hoch, ja direkt hysterisch klang. Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, atmetetief durch, räusperte sich und begann noch einmal von vorn, wobei er sich angestrengt um wohlgesetzte Worte bemühte, als könne er Angst und Schrecken dahinter vor sich selbst verbergen.
»Natürlich habe ich vorhin einen gewaltigen Schreck bekommen, als ich so unvermutet auf die tote Frau stieß. Wer erwartet schließlich auch so was! Aber jetzt geht es mir schon wieder besser − ehrlich«, beteuerte er, als er dem skeptischen Blick Lundquists begegnete.
»Na gut. Kannten Sie denn die Tote? Vielleicht von einem Ihrer Besuche hier. Knut hat mir erzählt, dass Sie alle vierzehn Tage zum Mähen herkommen. Oder stammt sie hier aus dem Ort?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber ich kann mich an keine Frau mit langem grauem Haar erinnern. Und ihr Gesicht …« Gunnar ließ den Satz unvollendet und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Wir werden von Ihnen die Namen und Adressen Ihrer Feriengäste brauchen. Sie führen doch Buch darüber, oder haben Sie das an eine Vermittlungsfirma abgegeben?«
»Mein Häuschen wird über eine Firma vermittelt, aber ich führe auch Buch über meine Mieter. Schließlich muss ich ja nach der Abreise immer das Haus überprüfen. Schon wegen der Endreinigung und so. Die Liste liegt zu Hause auf meinem Schreibtisch.«
»Wie viele Familien waren in diesem Sommer hier?«
»Genau kann ich das nicht sagen. Fünf oder sechs? Ich kann mich im Moment nicht darauf besinnen.« Gunnar kam sich ziemlich dumm vor, doch Lundquist lächelte ihn freundlich an und meinte: »Das ist doch ganz normal nach so einem Schock. Einer meiner Leute wird mir die Liste holen, dann wissen wir es genau.« Er sprach leise und beruhigend. »Natürlich müssen wir mit Ihnen morgen nochein ausführliches Protokoll erstellen, aber können Sie mir bitte jetzt schon mal erzählen, wie sie die Frau gefunden haben, was Sie davor und danach gemacht haben? Es ist für uns sehr wichtig.«
Endlich, dachte Gunnar erleichtert, endlich interessiert sich jemand für meine Geschichte! Immerhin hatte er die Frau schon vor ungefähr drei Stunden gefunden! Nach anfänglicher Unsicherheit sprudelten die Worte nur so hervor und der Hauptkommissar hörte geduldig zu, ohne zu unterbrechen. Nur ganz zu Anfang, als der Vermieter von seiner gründlichen Hausputzaktion berichtete, zog er für einen kurzen Augenblick die linke Augenbraue hoch. Was für ein fähiger, junger Kriminalist, dachte Gunnar, als er sich viel später von Lundquist verabschiedete, hat man ihm gleich angesehen, dass der was kann!
Ein Streifenwagen setzte ihn zu Hause ab. Den schwarzen Volvo fuhr Jan und parkte ihn vor der Haustür der Hilmarströms.
»Eine Leiche in der Truhe auf unserem Dachboden! So eine Unverschämtheit!« Inga war zutiefst entrüstet. Gunnar, dem es nicht entgangen war, dass sie plötzlich von ›unserem Dachboden‹ gesprochen hatte, schmunzelte zaghaft. Bald würde sie von diesem Fund all ihren Freundinnen berichten und da wäre es doch zu schade, wenn es ›nur‹ Gunnars Dachboden wäre! Sie wollte persönlich in diese Geschichte verwickelt werden! Er seufzte leise. Typisch Inga! Jetzt war es auch ›ihre‹ Leiche!
»Und«, fragte sie ihren Mann, »hast du die Frau denn erkannt? Wer war sie denn?«
»Nun mal langsam, Inga!«, stoppte Jan ihren Redefluss, »sei ein bisschen vorsichtig mit deinem Mann. Es hat ihm ziemlich zugesetzt. Vielleicht solltest du ihm erst einmaleinen schönen heißen Tee kochen!« Er bugsierte den bleichen Herrn des
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