Ferne Verwandte
nicht mehr unter ihr. Leider hat das seinen Preis. Die Wahrheit ist, dass ich es mir nicht mehr leisten kann. Er ist nur etwas für die wirklich Reichen. Jetzt muss ich mich mit dem raja yoga begnügen. Aber Whiteagle ist schon ein anderes Kaliber … Klar, dass Cybill ihn nicht verlässt. Niemand würde von ihm weggehen. Glaubt mir, der Mann ist ein ganz Großer.«
»Schon kapiert, alles klar, aber wo finden wir ihn?«, unterbrach ich ihn.
»Das kann ich nicht sagen.«
»Verdammt, Kenneth, du bist wirklich ein Stück Scheiße«, fuhr Veronica ihn an.
»Ich kann es nicht sagen, aus dem einfachen Grund, dass ich es nicht weiß«, antwortete er und verzog die Lippe zu einer weiteren herablassenden Grimasse. »Wegen eines Energieproblems wechselt er alle sechs Monate das Dorf. Er wandert ständig umher, um die Pole der positiven Energieausstrahlung zu suchen. Vielleicht ist das auch nur eine Ausrede, damit er sich möglichst selten in den Aschrams blicken lassen muss … Eventuell sucht er sich seine Energie an irgendeinem Strand in der Karibik, denn er ist immer braun gebrannt. Aber er macht dich glücklich, und das ist die Hauptsache. Alle vier Monate schickt er ein Paket mit Weißadlerfedern und einem Hirschfell, auf dem der Name des nächsten Ziels und seine
Kontonummer stehen. Dann kann man sich entscheiden, ob und wann man sich ihm anschließt. Wenn man zwei-, dreimal nicht antwortet, schickt er nichts mehr. Dann gehört man nicht mehr dazu, und ich bin schon eine Weile draußen.«
»Wie nett«, höhnte Veronica.
»Cybill hat aber gesagt, dass sie nach Kanada geht«, versuchte ich es, hatte aber nur noch wenig Hoffnung.
»Ja, die Aschrams sind immer in Kanada.«
»Verdammt, Kenneth! Um das auszuspucken, hast du zwei Stunden gebraucht!«
»Eigentlich habe ich als Mitglied der Sekte schwören müssen, das Geheimnis zu wahren, aber …«
»Ach, scheiß doch drauf.«
»Heute Abend bist du wirklich unausstehlich, Veronica. Aber wie ich gerade sagte: Da mir die Mittel fehlen, bin ich verstoßen worden, betrachte mich demnach als von jeder Verpflichtung entbunden und kann euch sogar die Gegend verraten. Zufrieden?«
»Bravo, so gefällst du mir.«
»Dank dir, du liebreizende Maid.«
»Spuck’s schon aus, los«, erwiderte besagte Maid.
Kenneth zündete sich umständlich eine neue Zigarette an. Dann führte er die Flamme seines goldenen Feuerzeugs an unsere Gesichter heran und sagte lächelnd: »Im finsteren Herzen der Wälder nördlich von Quebec City.«
35
Also ging ich ein paar Tage später zu einem Privatdetektiv. Tatsächlich hatte Veronica diese Entscheidung getroffen, so sehr hatte sie sich die Sache zu Herzen genommen. Natürlich ging sie dabei nicht ganz uneigennützig vor. Während wir über Cybill diskutierten und darüber, wie wir sie ausfindig machen könnten, erkundigte sie sich nach dem Praetiosa-Gemma-Bild, das ich Jeff B versprochen hatte, und vor allem bat sie mich um Aufklärung über die Idee, die sie in einen Rockstar verwandeln würde. »Sie ist genial, und ich sage das im Ernst. Aber versuch bitte, mir das genauer zu erklären … Okay, Gemma soll das Vorbild sein. Aber heißt das, dass ich jetzt geistliche Musik komponieren soll?«
»So etwas im Stil der Hildegard von Bingen.«
»Mit wem tritt die denn auf? Von der hab ich noch nie was gehört.«
»Das glaub ich gern! Sie ist ja auch schon seit ungefähr achthundert Jahren tot.«
» Christus , willst du mich verarschen? Ich mache Rockmusik!«
Dann seufzte sie flehentlich: »Ich bitte dich, lass dir was einfallen, für mich ist das wichtig, sehr wichtig.«
»Sei beruhigt, wir schaffen das schon«, ermunterte ich sie, auch wenn ich seit meinem Geistesblitz trotz ständiger Grübelei - es verging kein Tag, an dem Veronica mich nicht bedrängte - vollkommen im Dunkeln tappte. Und dass ich mir ihre Songs hatte anhören müssen, war eine echte Zumutung gewesen - Jeff B war in seinem Urteil noch viel zu generös gewesen. Und ihre Interpretation erst …
Die hohen Lagen waren ein derartiges Katzengejaule, dass es einem kalt den Rücken runterlief. Irgendetwas musste ich mir trotzdem einfallen lassen.
»Also, lass mal sehen … Jeff hat gesagt, die Songs sind okay. Das ist schon mal ein wichtiger Punkt. Und dann musst du dir eine Persönlichkeit aufbauen, richtig? Und wir haben gesagt, dass Gemma ein Vorbild sein könnte … Gemma ist doch eine Persönlichkeit, oder?«
»Und ob!« »Andererseits kannst du dich nicht hinstellen und
Weitere Kostenlose Bücher