Fesseln der Freiheit: Erotischer Roman (German Edition)
sterbenden Industrien Mitleid zu haben. Und ja, ich weiß, dass du an MacMillan & Co. hängst, genauso wie dein Vater. Es war immerhin irgendwann einmal euer Kerngeschäft. Aber finde dich damit ab, dass mit Metallverarbeitung kein Geld mehr zu machen ist.«
»Ich weiß.« Sie starrte vor sich auf den Tisch und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Manchmal fragte sie sich, ob es nun gut oder schlecht war, dass der Rest ihrer Anlagen so gut lief. Ihr Vater hatte schon früh damit angefangen, das Vermögen der Familie breiter zu streuen und aus dem eigentlichen Betrieb in Glasgow zu ziehen. Es gab Beteiligungen an allen möglichen Firmen, in allen möglichen Branchen, von Waschmitteln über Kunststoffe bis hin zu Automobilzulieferern, Aktien, Geldanlagen, hochspekulative Spielereien. Einerseits warf es mehr als genug Geld ab, um sich einen Luxus wie eine vor dem Ruin stehende Gießerei in Glasgow zu leisten. Notfalls gab es noch das Privatvermögen, das ihre Mutter mit in die Ehe eingebracht hatte. Andererseits widersprach das aller ökonomischen Weisheit. Was sich nicht von selbst trug, musste verkauft werden. Oder ganz geschlossen.
»Jon hat einen Investor an der Hand. Wir müssen nur noch ein paar Monate durchhalten. Ich spreche mit meinem Vater darüber, und dann treffe ich mich mit Jon und Mister Unbekannt. War es das für heute?«
»Du bist der Chef, Tony.« Lennart setzte sich übertrieben langsam auf seinen angestammten Platz und schaute sie herausfordernd an. »Also?«
»Dann war es das wohl.« Sie wusste, dass Lennart gut war, darum hatte sie ihn auch überredet, mit ihr zu kommen, als sie aus der Beratung wieder in das Familienunternehmen gewechselt war. Er war ein Meister der Spekulation, hatte immer einen Riecher für die richtigen Aktien, und warf mit irgendwelchen Papieren und Anlagen um sich wie andere Leute mit normalen Wörtern. Sie ließ ihm freie Hand dabei, solange die Zahlen stimmten.
Der Nachteil an diesem Vorgehen war, dass er sich auch sonst als ihr gleichgestellt empfand, auch wenn er regelmäßig das Gegenteil bekundete. Lennart hielt nicht viel von Geschäften, die mit realen Dingen zu tun hatten. Die alten Industrien fand er langweilig, und Fabrikhallen hatte er bisher nur von außen gesehen.
Sie brauchte jemanden wie ihn, um nicht wieder dem Zauber von echten Werkstoffen zu erliegen.
»Nun, dann wisst ihr ja, was zu tun ist. Stella, kümmere du dich um die Zahlen für diesen Parfümhersteller. Nennen wir es Operation Baumkrone.«
»Operation Baumkrone?« Stella starrte sie an, als wäre sie gerade vollkommen durchgedreht.
Tony grinste breit. Stella musste ja nicht wissen, dass sie gerade an Mikael gedacht hatte, wie er sich – ohne Shirt natürlich – durch einen Kletterwald hangelte. Es wäre eine Überlegung wert, allein für diesen Anblick irgendeine Teambuildingmaßnahme anzuleiern. »Geheimhaltung ist die Mutter aller Übernahmen, meine Süße.«
Stella tauschte einen wissenden Blick mit Lennart und kicherte leise. »Wann ist es so weit? Uns kannst du es sagen. Streng geheim natürlich.«
»Was?« Tony verzog verlegen das Gesicht. »Was unterstellt man mir, kaum dass ich ein paar Tage weg bin?«
»Die Hochzeit, Tony, was denn sonst? Oder bist du auch noch schwanger?«
»Ihr könnt mich alle«, gab Tony zurück und stand auf. Manchmal war es schwerer als an anderen Tagen, ein Team zu führen, das zu hundert Prozent aus ihren alten Freunden bestand. »Pass lieber auf, dass ich mich nicht zu sehr darum kümmere, was Lennart und du so treiben. Du weißt doch – ficke nie deinen Kollegen.«
»Also?«, bestand Stella und bückte sich unter den Tisch. Sie brachte eine Flasche Champagner zum Vorschein. »Wir sind eingeladen, hoffe ich doch?«
»Woher zur Hölle …«, begann Tony und wankte. Ob Jon irgendwelche Andeutungen gemacht hatte? Anders konnte es gar nicht sein. Sie hatte das Gefühl, dass es ihr die Luft abschnürte. »Ich muss mit meinem Dad sprechen. Dann können wir trinken. Vorher brauche ich einen klaren Kopf.«
»Sei kein Spielverderber, Tony. Der Champagner wird nicht kälter vom Herumstehen.« Stella legte den Kopf schief, zog die Augenbrauen nach oben und klimperte mit den Wimpern. Sie beherrschte diesen bittenden Kleinmädchenblick meisterhaft.
»Dann stelle ihn in den Kühlschrank!«, erwiderte Tony ungewöhnlich heftig und flüchtete aus dem Besprechungsraum.
***
Zurück in ihrem Büro starrte sie auf das Telefon, als wäre es eine zusammengerollte
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