Fesseln der Freiheit: Erotischer Roman (German Edition)
Giftschlange. Das Päckchen lag mitten auf ihrem Schreibtisch und schrie geradezu nach Aufmerksamkeit. Tony schnaubte, wusste selbst nicht, worüber genau sie nun zornig war, und holte ihre Handtasche unter dem Schreibtisch heraus. Hektisch kramte sie nach ihrem Lippenstift und fuhr sich über die rissigen Lippen, bis sie eine dicke Fettschicht darauf spürte. Der Geruch von Erdbeere und Mango stieg ihr in die Nase und beruhigte sie ein wenig.
Als sie sich endlich bereit dazu fühlte, nahm sie den Hörer zwischen zwei Finger und drückte die oberste Kurzwahltaste.
»Ich habe schon auf deinen Anruf gewartet, mein kleiner Spatz. Du bist spät dran heute.« Die beruhigende Stimme ihres Vaters verhinderte sogar, dass sie wegen dieser Anrede gleich wieder in die Luft ging. Tony lehnte sich in ihrem Drehstuhl zurück und schlüpfte aus ihren Pumps. »Sind die Nachrichten so schlecht? Du weißt, dass ich die Zahlen kenne, aber wie sieht es mit dem Rest aus?«, fuhr ihr Vater fort.
»Wie immer, Daddy, das weißt du doch. Es läuft alles wunderbar. Du kannst dich beruhigt zurücklehnen und deine Freizeit genießen. Du hast dich lange genug für die Firma aufgearbeitet.« Sie legte die Füße auf den Schreibtisch und seufzte leise. Als sie zurückgekehrt war, hatte sie von ihrem Vater freie Hand über die Beteiligungen und die Aktienanlagen verlangt. Sie hatte darauf bestanden, dass modernes Management und vor allem Inhouse Consulting endlich auch in diesem Gewirr an Beteiligungen Anwendung fanden, die den Großteil des Familienvermögens ausmachten. Ihr Vater hatte sich die Kontrolle über MacMillan & Co. zurückbehalten. Von der Gießerei konnte er einfach nicht die Finger lassen. »Aber ich weiß schon – das ist unmöglich, ehe Schottland nicht gerettet ist. Vorher interessiert dich der ganze Rest nicht, habe ich recht?«
»Ich weiß nicht, was du hast, mein Spatz. Ich habe mich nicht auf diesen Handel mit dir eingelassen, um mir von dir das Zepter aus der Hand nehmen zu lassen. Das ist immer noch meine Firma.«
Wunderbar. Gelang ihr an diesem Tag eigentlich gar nichts? »Das weiß ich, Daddy. Das haben wir doch geklärt. Ich beweise dir hier in London, was man mit modernen Finanztricksereien alles erreichen kann, und du zeigst mir in Glasgow, wie beständig alte Traditionen sind. Solange das nach außen keiner mitbekommt, dass wir gerade dabei sind, unser Kerngeschäft und die Beteiligungen zu trennen, ist doch alles wunderbar.« Ihr Blick fiel auf das Päckchen. Sie klemmte den Telefonhörer zwischen Schulter und Wange und hörte ihrem Vater nur halb zu, als er anfing, ihr einen Vortrag über die Geschichte der Firma zu halten. Darüber, wie wichtig diese Firma als Arbeitgeber in Glasgow war. Darüber, wie viel Symbol in einem alten Namen steckte. Und darüber, dass es nur um ein paar Monate ging, weil sie ja jetzt Wertinger hätten, und der Kleine ein Genie wäre.
Als sie sich auch noch den Nagel des linken Zeigefingers abbrach, wusste sie, dass der Tag für sie gelaufen war. »Ich gebe dir zwei Monate, Daddy. Danke meinen Finanztricksereien. Wir können es uns leisten, keine Sorge.« Unter dem Packpapier kam eine unscheinbare Box aus stabilem Karton zum Vorschein. Sie nestelte an der kleinen Lasche herum, mit der der Deckel festgesteckt war. »Aber wir sollten wirklich überlegen, ob …«
Sie brach mitten im Satz ab. In der Schachtel lag ein harmlos aussehendes Stück Kunststoff. Tony runzelte die Stirn und griff nach dem graufarbigen Quader. »Was in aller Welt soll das?«, murmelte sie und legte es auf den Schreibtisch.
»Ah, dann hast du es also erhalten? Ich dachte mir schon, dass du es jetzt auspackst. Du bist immer so ungeduldig, Tony. Warst du schon als Kind. Wertinger wollte es dir unbedingt schicken. Er sagt, wenn ihr das patentiert bekommt, können wir uns aus eigener Kraft retten.«
»Was soll das werden, wenn es fertig ist?« Sie drehte es zwischen ihren Fingern herum und kniff die Augen zusammen. »Verbundmaterialen?«, mutmaßte sie dann. »Wofür genau habt ihr euch das ausgedacht?«
»Meinst du, ich sage das am Telefon? Man weiß nie, wer in der Leitung steckt. Nur so viel: Das ist hochleitender Kunststoff. Wertinger sagt, es hätte das Potential, zu einer Batterie weiterentwickelt zu werden. Sehr interessant im Hinblick auf die Bedürfnisse der Autoindustrie. Langfristig gedacht, jedenfalls.« Ihr Vater lachte auf. »Ich schicke ihn dir vorbei. Du hast doch sicher übermorgen und am
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