Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
war ein Mann, der sich nicht gestattete, einen Fehler zweimal zu machen.
    »Was lesen Sie da?«, drang Lucys neugierige Stimme in seine Gedanken. Heath antwortete bereitwillig.
    »Eine alte Ausgabe des Intelligencer über den Feldzug von Atlanta.«
    »Wieso, in aller Welt, lesen Sie das noch mal?«
    Heath lächelte bitter. »Wegen der Falschmeldungen. Der Bericht über Johnstons Rückzug über den Chattahoochee beispielsweise. Der Reporter schreibt, die Truppen hätten sich ›wohl geordnet zurückgezogen‹.« Er schüttelte den Kopf und schnaubte verächtlich. »Ich war dabei. Ich diente unter Johnston. Wir haben uns nicht wohl geordnet zurückgezogen – wir sind gelaufen wie die Hasen und haben uns gegenseitig niedergetrampelt nur um unsere Haut zu retten.«
    »Sie waren in Johnstons Armee? Daniel diente unter Sherman in diesem Feldzug!«
    »Vermutlich standen wir einander Auge in Auge gegenüber. Ich möchte wetten, er war bei den Truppen, die uns mit ihren Flankenangriffen niedermachten.«
    »Wieso lesen Sie alte Zeitungen und suchen nach Falschmeldungen?«
    »Eine Art Steckenpferd von mir … ich informiere mich gern über die Berichterstattung, um mir ein Bild von den Strategien der Zeitungsverleger zu machen. Man zieht meist. größere Lehren aus Dingen, die falsch gemacht wurden, als aus Dingen, die richtig gemacht wurden. Und ich weiß, wie viel von der Presse falsch gemacht wurde während des Krieges – auf beiden Seiten.« Er ließ sich auf dem Teppich vor dem Kamin nieder und reichte ihr die Zeitung. »Schlagen Sie eine beliebige Seite auf – alles Wortblasen. Rhetorisches Geschwätz statt Fakten. Wäre ich Herausgeber …«
    »Ja?«, hakte Lucy nach, als er nicht weitersprach. »Wenn Sie der Herausgeber einer Zeitung wären, was würden Sie tun, um die Welt zu verbessern? Möglicherweise würden Sie anfangs ihre eigene Meinung zu Papier bringen, doch früher oder später würden sie sich der gängigen politischen Auffassung anpassen und schreiben, was …«
    »Ziemlich abgebrüht«, unterbrach Heath sie mit einem amüsierten Funkeln in den Augen.
    »Keineswegs … ich sage nur, wie es in Massachusetts gehandhabt wird.«
    Heath legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Nein, Sie irren. Das würde ich eben nicht, egal, wie unbeliebt ich mich damit machen würde. Wenn ich Chefredakteur und Herausgeber einer Zeitung wäre, würde ich mich nicht zur Marionette und zum Marktschreier der Interessen anderer machen lassen. Ich würde meinen eigenen Kurs steuern und mich nicht der gängigen Meinung unterwerfen. Die meisten Redakteure lassen sich leicht beeinflussen, besonders von Politikern. Und die Zeitungen hier im Norden sind genauso schlimm wie anderswo – zu lasch, parteiisch und zu … feige. Kaum einer bringt den Mut auf, anderen auf die Zehen zu treten, die nackte Wahrheit ohne Schönfärberei zu drucken …«
    »Aber Sie würden die Wahrheit drucken, wenn Sie im Sessel eines Chefredakteurs sitzen würden? Auch wenn Ihnen die Wahrheit nicht gefällt?«
    »Selbst dann, verdammt noch mal.«
    »Das glaube ich nicht. Vielleicht zu Anfang, doch irgendwann würden Sie Ihre eigene Version der Wahrheit drucken, so wie alle anderen auch.«
    »Nein, ich bin anders als die anderen«, widersprach er und freute sich über Lucys lebhaftes Interesse an der Diskussion. »Ich würde nicht um jeden Preis um die Gunst der Leser buhlen, mir wäre es wichtiger, das Kind beim Namen zu nennen. Ich neige nicht zu Vorurteilen …«
    »Außer, dass Sie Nordstaatler hassen.«
    »Oh, das wäre übertrieben. Im Grunde stimmt das nicht. Es gibt sogar welche, die ich ziemlich sympathisch finde.«
    Er lachte leise, während Lucy gebannt ins Feuer starrte.
    »Sagen Sie«, fuhr sie fort, ohne ihn anzusehen. »Haben Sie früher für eine Zeitung geschrieben? Sie reden, als wüssten Sie über das Pressewesen Bescheid.«
    »Ich war Journalist und habe während des Krieges für den Register in Mobile und für andere Zeitungen geschrieben. Wenn ein Redakteur mir zu eigenmächtig war, bin ich zur nächsten Zeitung gegangen. Nichts macht einen Schreiber wütender als das willkürliche Zusammenstreichen seiner Artikel.«
    »Aber dafür gab es doch gewiss gute Gründe.«
    Heath schüttelte resigniert den Kopf und lachte in sich hinein. »Ja. Nach Meinung der Redakteure sollte ein Reporter bemüht sein, die gute Stimmung und den Kampfgeist in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Die Art meiner Berichterstattung gefiel den Herren

Weitere Kostenlose Bücher