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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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immer, ich weine zu schnell. Aber manchmal …«
    »Schon wieder Daniel. Noch nie habe ich einen Mann so gut gekannt, dem ich noch nicht einmal begegnet bin – und so wenig leiden können wie diesen Daniel.«
    Lucy musste über seine Worte lachen und vergaß ihre Tränen.
    Seine Hand legte sich warm und fest über die ihre. Lucy ließ es geschehen, ohne zu wagen, den Blick zu heben.
    Nur ihr Puls beschleunigte sich und ein leichter, angenehmer Schwindel machte sie benommen. Langsam drehte sie die Hand, bis ihre Handflächen aufeinander lagen und ihre Finger sich verschränkten. Eine seltsame Süße durchströmte sie. Es ist nichts dabei, Händchen mit ihm zu halten, verteidigte sie sich. Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, Daniel zu betrügen, da ihr die Berührung eines fremden Mannes so angenehm war. Der Druck seiner Hand verstärkte sich kurz, ehe er sie zurückzog und aufstand. Lucy befiel ein Gefühl der Verlassenheit.
    »Ich muss Holz hacken«, sagte er. Lucy nickte, befangen und erleichtert Abstand von ihm zu gewinnen und zugleich befiel sie ein Anflug von Traurigkeit.

Kapitel 2
    Das eisige Bad im Fluss hatte Lucys Kleid mehr geschadet als ihr selbst. Es war eingegangen und zerknittert, der Rocksaum zipfelte an manchen Stellen. Vergeblich versuchte sie, die Samtbordüren, mit denen der Uberrock an den Seiten hochgerafft war, zu glätten und in die Länge zu ziehen. Die braunen Satinschleifen band sie immer wieder neu, doch ohne sichtbaren Erfolg: Das Kleid war ruiniert. Zum Glück verdeckte der weite Umhang den Schaden notdürftig. Lucy nahm sich vor, das Kleid heimlich verschwinden zu lassen. Ihr Vater war zwar in geschäftlichen Dingen sehr penibel und duldete nicht die geringste Achtlosigkeit, doch in Belangen seiner Tochter war er eher nachlässig und zerstreut. Es würde ihm nicht auffallen, wenn eines ihrer Kleider fehlte.
    An diesem Morgen herrschte nachdenkliches Schweigen zwischen Lucy und Heath, erstaunlich insofern, als sie in den letzten Tagen lebhafte und angeregte Gespräche geführt hatten. Später brachte er sie in einem sportlichen Einspänner, gezogen von einem grau gescheckten Wallach, in die Stadt. Als sie sich dem Marktplatz von Concord näherten, verlangsamte die Kutsche die Fahrt.
    »Gleich sind wir da«, meinte Lucy befangen, da ihr zweitägiges Abenteuer sich nun dem Ende zuneigte. Plötzlich kam ihr in den Sinn, dass sie nicht über Dinge mit ihm gesprochen hatte, die der Klärung bedurften. »Heath, einen Augenblick, bitte. Können Sie kurz anhalten?« Er sah sie an. Seine blauen Augen hatten im hellen Tageslicht einen intensiven grünen Schimmer. Er zog die Zügel an und brachte die Kutsche zum Stehen. »Wir müssen eine Abmachung treffen«, fuhr Lucy mit gedämpfter Stimme fort, »wie wir einander in der Öffentlichkeit begegnen. Es gefällt mir zwar nicht, Sie wie einen Fremden zu behandeln, nach allem, was Sie für mich getan haben … Aber niemand darf wissen, dass ich Sie kenne!«
    Sein Gesicht war ohne Ausdruck, die dünne Narbe an seiner Stirn zeichnete sich hell von seiner braunen Haut ab.
    »Weil ich ein Rebell bin?«
    »Nein, natürlich nicht. Weil wir einander nicht vorgestellt wurden … Außerdem kann ich nie wieder so mit Ihnen reden wie gestern Abend, nie wieder. Ich bin verlobt. Und Sie sind kein Mann, mit dem eine verlobte junge Dame sich anfreunden darf. Niemand hätte Verständnis dafür Am allerwenigsten Daniel.«
    »Das kann ich mir denken«, meinte Heath und sein beiläufiger Tonfall beruhigte sie. Er hatte also Verständnis für ihre Lage. Sie hob den Blick in sein kantig geschnittenes Gesicht, umrahmt von goldenen Locken. Er passte nicht in die verschneite Winterlandschaft. Er gehörte in den Süden, in eine sonnendurchflutete, üppig grüne Landschaft.
    Sein träges Lächeln, sein gedehnter Südstaatenakzent würden ihn hier im Norden immer zum Außenseiter machen.
    Wieso lässt er sich so weit von seiner Heimat entfernt nieder? Welchen Grund kann es dafür geben?, überlegte Lucy, ohne die Frage laut auszusprechen. Und dann sah sie zum ersten Mal die dünne Narbe an seinem Hals, die aus dem Kragen zu wachsen schien. Wie weit reichte sie? Wo hatte er sie sich zugezogen? Sie ähnelte der Narbe an seiner Schläfe.
    Lucy kannte ihn kaum, spürte aber, dass in seinem Inneren Empfindungen und Erfahrungen verborgen waren, die niemand begreifen würde. Daniel und die anderen jungen Männer ihres Bekanntenkreises waren im Grunde genommen von schlichtem

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