Fessle mich!
Pogromstimmung. Vergewaltiger und Frauenquäler aller Welt: Vereinigt euch!« Feministinnen besetzten die Redaktion der Zeitschrift Stern , und eine Gruppe namens Die Klapperschlangen erstattete Strafanzeige auf der Grundlage von Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen Frauen und Mädchen, öffentliche Aufforderung zum sexuellen Missbrauch und zur Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, Aufforderung zur Misshandlung von Kindern, Beleidigung sowie Herabwürdigung von Frauen und Mädchen zu Sexualobjekten. Aus heutiger Sicht ist dies absurd: Man muss sich nur anschauen, wie viele Frauen sich in der deutschen SM-Gemeinschaft finden und wie viele erotische Bücher mit SM-Hintergrund von Leserinnen bei Amazon hingerissene Rezensionen erhalten, dann hat man ein klares Bild davon, dass keineswegs nur Männer auf Unterwerfungsspiele stehen und ihre Partnerinnen keineswegs, wie Alice Schwarzer & Co. es suggerieren, mehr oder weniger zum Mitmachen zwingen.
Warum also ist eine feministische Kritik an den Shades of Grey dennoch berechtigt? Der Grund liegt darin, dass hier alles andere als eine typische SM-Beziehung geschildert wird, sondern eher eine Beziehung, die, würde sie statt in Pornotopia im wahren Leben spielen, vielfach in Richtung Missbrauch ginge. Aus ebendiesem Grund empören sich in den USA eben nicht nur Feministinnen, sondern auch viele Mitglieder der SM-Gemeinschaft über E. L. James’ Buch – und das, obwohl ihm zugesprochen wird, SM-Neigungen endlich auch im Mainstream gesellschaftsfähig zu machen.
Schon wenn man sich die ersten Kapitel dieses Buches anschaut, wird einem schnell klar, auf welcher Grundlage die Kritik an diesem Roman beruht. Christian Grey muss heimlich Software auf Anastasias Handy installiert haben (eine Frau, die er zuvor gerade zweimal getroffen hat), um herauszufinden, wo sie sich immer befindet. Diese Technologie benutzt er auch, nachdem sie ihm mitgeteilt hat, dass sie ihn nicht sehen möchte. Als sie in einer Bar bewusstlos wird, verschleppt er sie in sein Hotelzimmer, wo er die immer noch Bewusstlose entkleidet, das Bett mit ihr teilt und einen seiner Angestellten ihre Maße nehmen lässt, damit sie exakt passende Unterwäsche erhält. Als sie an ihm wachsendes Interesse zeigt, nutzt er dies aus, um ihr sexuelle Praktiken nahezubringen, mit denen sie sich sichtlich nicht wohlfühlt. Sobald sie ihm widerspricht, verdeutlicht er ihr, dass sich das für eine unterwürfige Partnerin nicht gehöre, und droht ihr an, sie zu bestrafen. Das alles wird von der Erzählerin akzeptiert, weil, wie die Schriftstellerin Cassandra Parkin so schön formuliert, Christian Grey »ein Gott unter Insekten« ist und als fast perfektes Wesen dargestellt wird: Jemand, der sich durch eigene Arbeit nicht nur im Alter von 26 Jahren zum offenbar reichsten Mann der Welt gemacht hat, sondern sich nebenher jede Technik angeeignet hat, die im Verlauf seiner Bekanntschaft mit Anastasia gerade gebraucht wird, vom Helikopterfliegen bis zum Hochseefischen. Und der natürlich über eine derart gewaltige Erektion verfügt, dass Anastasia massive Probleme hat, diesen Anblick seelisch zu verarbeiten.
Vor diesem Hintergrund ist es sehr wunderlich, dass Alice Schwarzer in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau erklärte, dieses Buch gemocht zu haben, während sie mit Sadomasochisten im wahren Leben – von denen sich die große Mehrheit niemals so verhalten würde wie Christian Grey – große Probleme habe.
Der von amerikanischen Feministinnen geäußerte Unmut über die Fifty Shades of Grey ist da weit nachvollziehbarer. Wenn man erlebt, dass Abermillionen Frauen ein Buch in kürzester Zeit aus den Regalen reißen, in dem das geschilderte Männerverhalten als hochromantisch dargestellt wird, entsteht bei zahllosen Männern ein Bild von Frauen und ihren Bedürfnissen, das alles andere als schmeichelhaft ist. Bei ihnen entsteht die Botschaft: »Du darfst dich gegenüber Frauen jederzeit so aufführen wie Christian Grey, solange du nur wirklich erfolgreich und auch sonst ein ganzer Kerl bist.«
Wie so oft gibt es allerdings auch zu dieser überzeugenden Argumentation eine ebenfalls starke Gegenrede. Die verläuft in etwa so: Akademische Literatur- und Medienkritiker haben mitunter eine beängstigende Tendenz, Frauen für weitaus dämlicher zu halten, als sie sind. Wenn es um Medienprodukte geht, die hauptsächlich von Frauen genossen
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