Fest der Herzen: Geständnis unterm Weihnachtsbaum / Schicksalstage - Liebesnächte
Hühnersuppe mit Wildreis und gemischtem Gemüse. Sie schmeckte so gut, dass er am liebsten die Schüssel mit beiden Händen umfasst und mit wenigen Schlucken geleert hätte.
„Langsam“, mahnte Ashley. Ihr Blick war etwas sanfter geworden, doch ihr Körper blieb starr. „Es ist noch Suppe da, unten auf dem Herd.“
Wie das Kätzchen schien die Bouillon eine Art Heilkraft zubesitzen. Jack glaubte zu spüren, dass sich seine Lebensgeister wieder regten.
Kaum hatte er aufgegessen, übermannte ihn wieder der Schlaf. Doch diesmal fühlte er sich dabei anders als bisher. Er hatte nicht mehr den Drang, sich dagegen aufzulehnen. Vielmehr regte sich nun der Impuls, sich der Dunkelheit hinzugeben.
Etwas Weiches berührte seine Wange. Ashleys Fingerspitzen? Oder das Mutantenkätzchen?
„Jack?“
Mit Mühe schlug er die Augen auf.
Tränen schimmerten in Ashleys Augen. „Wirst du sterben?“
Er dachte einen Moment darüber nach. Es fiel ihm nicht leicht, weil das Fieber seinen Verstand vernebelte. Die Prognose der Ärzte im Militärkrankenhaus war nicht gerade rosig. Sie hatten eingestehen müssen, dass ihnen der Giftstoff gänzlich unbekannt war. Deshalb hatten sie ihn zu weiteren Studien in irgendein geheimes Forschungszentrum der Regierung verfrachten wollen.
Das war einer der Gründe, aus denen er geflohen war. Er hatte einige Freunde überredet, ihn aus dem Krankenhaus zu holen und auf Schleichwegen in verschiedenen Flugzeugen und Helikoptern kreuz und quer durch das ganze Land zu transportieren.
Nun suchte er Ashleys Hand und drückte sie. „Nicht, wenn ich es verhindern kann“, flüsterte er, bevor er vor Erschöpfung die Augen schloss.
Das Gespräch ging Ashley immer wieder durch den Kopf, während sie am Bett saß und Jack im Schlaf beobachtete, bis es so dunkel im Raum geworden war, dass sie nur noch schwache Konturen erkennen konnte.
Nur mit Mühe widerstand sie dem Drang, die Nachttischlampe einzuschalten, um noch eine Weile die Gesichtszüge zu betrachten, die sie so gut kannte: die nussbraunen Augen, die ausgeprägten Wangenknochen, das markante Kinn. Sie stand auf, ließ das Tablett stehen und schlich zur Tür – ganz langsam,aus Angst, über Mrs Wiggins zu stolpern, die ihr um die Beine tollte.
Auf dem Flur machte sie leise die Tür zu, hob das Kätzchen mit einer Hand hoch und ließ den Tränen freien Lauf. Stumme Schluchzer schüttelten sie, und Mrs Wiggins kuschelte sich unter ihr Kinn, als wolle das kleine Wesen sie trösten.
Schwebte er wirklich in Lebensgefahr?
Wenn er in den letzten Zügen läge, hätte Tanner bestimmt nicht eingewilligt, ihn zu mir zu bringen .
Andererseits war Jack ein Sturschädel. Er setzte seinen Kopf immer durch. Womöglich hatte er darauf bestanden, dass ihm sein letzter Wille erfüllt wurde.
Aber er will nicht in Stone Creek leben. Warum sollte er hier sterben wollen?
Sie schniefte und wischte sich mit einem Handrücken über die Wangen. Auf das Geländer gestützt, ging sie die Treppe hinunter.
Das Telefon klingelte.
Olivia?
Ashley rannte zu dem kleinen Pult, das ihr als Rezeption diente, wenn auch nicht in letzter Zeit. Hastig griff sie zum Hörer. „Hallo?“ Vage fragte sie sich, wann sie aufgehört hatte, sich geschäftsmäßig korrekt mit Mountain View Bed and Breakfast zu melden.
„Ich habe gehört, dass du einen unerwarteten Pensionsgast hast“, eröffnete Brad in bedächtigem Ton das Telefonat.
Sie freute sich sehr, die Stimme ihres großen Bruders zu hören. Das war verwunderlich, da sie einander seit dem Begräbnis ihrer Mutter nicht viel zu sagen wussten. „Stimmt.“
„Carly hat erzählt, dass es ihm gar nicht gut geht und er in einem Krankenwagen gekommen ist.“
„Stimmt auch, und ich bin nicht sicher, ob er überhaupt hier sein sollte. Es steht schlecht um ihn. Ich bin keine Krankenschwester und ich …“, sie hielt inne und schluckte, „… habe Angst.“
„Ich kann in einer Viertelstunde bei dir sein.“
Wieder brannten Tränen in ihren Augen. „Das wäre schön.“
„Koch eine große Kanne Kaffee, kleine Schwester. Ich bin schon unterwegs.“
Brad hielt Wort und traf ein, noch bevor der Kaffee durchgelaufen war. In verwaschener Jeans, abgewetzten Stiefeln und Flanellhemd mit Denimjacke sah er wie ein gewöhnlicher Rancher aus, nicht wie ein berühmter Countrysänger und gelegentlicher Filmstar.
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie ihn zum letzten Mal umarmt hatte, doch nun lief sie spontan zu ihm, und er
Weitere Kostenlose Bücher