Fettnaepfchenfuehrer Italien
liegen oft den in Ämtern zuständigen Referenten keine genauen Zahlen über ihr Aufgabengebiet vor – zumindest nicht so, dass sie Informationen weitergeben könnten.
Franziska war eingeschüchtert ob des lauten Lamentos. Sie konnte jedoch nur ungefähr interpretieren, was der Alte klagte: Er sprach schnell und zu seinem Nuscheln gesellte sich reichlich Dialekt. Immer heftiger sprudelten die Wörter aus ihm heraus, bis er seinen Wortschwall abrupt abbrach. »Da kommt mein Bus«, sagt er, mit einem Mal ganz entspannt. »Aber sie haben schon recht«, er tippte mit dem Zeigefinger auf einen imaginären Tisch, »Italien ist wunderbar. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.« Dann gab er dem Busfahrer mürrisch zu verstehen, dass er einsteigen wolle, und dieser setzte den Blinker. Kurz bevor der Bus die Türen schloss, drehte er sich noch einmal zu Franziska hin, überlegte – man sah es ihm an – ob er seinem Sermon noch etwas hinzufügen sollte, und machte dann eine abschätzige Handbewegung. Der Bus fuhr davon und mit ihm dieser seltsame Kauz.
Na prima, das kann ja heiter werden, dachte sich Franziska. Sie hätte sich einen besseren Start für ihre Erasmuszeit vorstellen können. Sie wartete, bis die nachfolgenden Busse vorbei gefahren waren, und spurtete dann über die Straße, um nicht von einem der heranbrausenden Taxis überfahren zu werden.
»Liebe Mama, lieber Dad, ich bin gut angekommen und sitze gerade vor dem Kolosseum. Viele Grüße, Eure Franzi«, tippte sie kurze Zeit später, nachdem sie noch ein wenig ihren Gedanken nachgehangen war. Eigentlich hatte sie ihren Eltern ja erst später schreiben wollen, und sie zögerte kurz, bevor sie auf »Absenden« drückte. Aber irgendwie war ihr erster Abend in Rom nach diesem komischen Gespräch auch schon vorbei.
Franziska packte ihr Handy in die Tasche und ging in Richtung der U-Bahn-Haltestelle.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Dass der alte Mann derart in Rage gerät, weil er von seinem Land spricht, ist nicht unbedingt ungewöhnlich; die meisten Italiener lieben ihr Land entweder oder hassen es, dazwischen gibt es nicht so sehr viel. Man kann sogar das Schlechtreden des eigenen Landes als Referenz und als Würdigung des Landes des Gegenübers sehen. Deutschland wird oft von Italienern gelobt, es gilt als Land der Effizienz und Ordnung, Italiener mögen deutsches Bier und dass in Deutschland so vieles funktioniert, was in Italien schon seit Jahren mit Improvisation ersetzt wird. Lieben aber, so viel ist sicher, werden nur die wenigsten Italiener Deutschland dafür.
In jedem Fall ist es kein Fehler, Italiener auf ihre Heimat anzusprechen, sie sind italienfixiert und reden daher gerne und oft über ihr Land.
Franziska hat hier einen ganz anderen, simplen Fehler begangen: Man sollte nie über die Straße rennen. Es ist gefährlich.
Was können Sie besser machen?
Der Verkehr in Italien wird von den meisten Deutschen als chaotisch wahrgenommen. Das ist aber eine Frage der Perspektive. Denn während in Deutschland das Einhalten von Regeln den Verkehr organisiert, verlieren Verkehrsregeln in Italien an Bedeutung, je weiter südlich man kommt. Da kann es sogar passieren, dass einem die Polizei in Neapel in Gegenfahrtrichtung durch die Einbahnstraße folgt und einen anhält – aber nicht, um eine schmerzvolle Strafe zu verlangen, sondern um den Hinweis loszuwerden, dass man doch das Licht anschalten solle, da es schon dämmere.
An die erste in Berlin aufgestellte Ampel (Hamburg war schneller als Berlin, dort ging die erste deutsche Ampel in Betrieb) wird heute noch erinnert. In Italien käme das niemandem in den Sinn, Regeln sind hier maximal ein geduldetes Übel, und eine Verkehrsampel steht ja auch für Regeln, die einzuhalten sind.
Je geringer die Bedeutung von Verkehrsregeln, umso wichtiger ist es, dass alle Verkehrsbeteiligten das Geschehen vor, hinter und neben ihrem Fahrzeug aufmerksam beobachten. Hierin gründet Franziskas Fehler, über die Straße zu rennen. Wer sich ins italienische Verkehrsgetümmel wirft, sollte berechenbar sein, erst recht, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Am besten ist es also, geradlinig und gleichmäßig über die Straße zu gehen. Dies gilt allerdings nur dort, wo nicht mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird, also hauptsächlich innerorts. Und es empfiehlt sich dennoch, die ankommenden Autos im Blick zu behalten. Es könnte ja sein, dass der Mensch am Steuer gerade ganz in eine Diskussion vertieft ist oder nach
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