Feucht
rollen. Bleigewichte hingen an meinen Armen und Beinen, mein Kopf dröhnte und die Gelenke waren so steif, dass ich fast eine Viertelstunde brauchte, bis ich mich herumgedreht hatte. Gereon lag nicht neben mir. Ich ärgerte mich darüber. Irgendwann war ich eingeschlafen und hatte von seinem Gesicht geträumt, und im Traum hatte mich ganz real ein überwältigendes Gefühl von Liebe ausgefüllt. Jetzt lag ich hier allein, und er war wieder einmal nicht da.
Ich tastete nach meiner Haarspange, weil mir die Haare übers Gesicht fielen wie Algen und mir die Sicht verdeckten. Die Kette rutschte auf den Boden. Mein Ring war weg. Ich wurde noch ärgerlicher. Was sollte das? Hatte ich eine traumhafte Nacht und einen überaus anregenden Nachmittag in diesem merkwürdigen Haus verbracht, um jetzt bestohlen zu werden? Ich rutschte zur Bettkante und richtete mich langsam auf. Mein Magen wölbte sich. Ich atmete tief und versuchte alle ruckhaften Bewegungen zu vermeiden. Es kam mir vor, als sei mein Blickfeld von beiden Seiten eingeschränkt, als hätte sich eine plötzliche Kurzsichtigkeit ringförmig um meine Augen gelegt. Dann stand ich neben dem Bett und sammelte meine Kleidung auf. Jedes Mal, wenn ich mich bückte, schoss ein stechender Schmerz in meinen Kopf, und bunte Punkte tanzten vor meinen Augen. Irgendwann war ich angezogen und trug sogar die Kette.
Im Haus war alles dunkel. Ganz leise spielte irgendwo die Musik vom Vormittag. Ich schlich die Treppe hinunter und war mir nicht sicher, ob ich nicht doch immer noch hoffte, Gereon sei vielleicht nur eine Flasche Wein holen. Aus dem Raum neben der Küche kam ein gelbliches Licht. Wasser plätscherte leise. Sonst hörte ich keinen Laut. Die Tür stand eine Handbreit offen. Ich sah hinein.
Oben neben Gereons Schlafzimmer war eine moderne Dusche gewesen, hier unten fand ich ein Badezimmer, das wie aus den Fünfzigern aussah. Senfgelbe Kacheln, altes Email. In der Badewanne saß Mone mit angezogenen Knien. Ihr Oberkörper lehnte gegen eine Nackenrolle gestützt. Ihre Augen waren geschlossen. Einzelne Schaumberge trieben auf dem Wasser. Vor der Wanne, auf einem roten Kokoslaüfer kniete Gereon splitternackt. Mir wurde wieder übel. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Nachdem ich das gesehen hatte, musste ich gehen, das wusste ich. Ich wollte mich gerade abwenden, um mich davonzustehlen, als ich in Gereons Hand etwas Violettes glitzern sah. Es war mein Ring, den er Mone über den Finger der rechten Hand schob. Sie öffnete die Augen, und beide sahen sich so versunken an, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Mone hob die Hand vor ihr Gesicht, Gereons Kopf sank auf den Badewannenrand, blieb verrenkt liegen und sah aus wie niedergestochen. Mones linke Hand streichelte ihm über den Rücken, stockte an der großen fleischigen Narbe an der Seite und blieb leise streichelnd darauf liegen. Sie lehnte sich zurück, ihre andere Hand tauchte ins Wasser. Dann zuckte sie kurz zusammen und sah wieder auf.
Einen Moment lang befürchtete ich, sie hätte mich bemerkt, aber ihr war wohl nur mein Ring vom Finger gerutscht, denn auch Gereon richtete sich jetzt auf und tauchte mit seiner Hand ins Wasser, durch die Schaumberge hindurch zwischen Mones Schenkel. Mein Ring war unverhältnismäßig groß für ein Frauenschmuckstück, er musste es sofort gefunden haben. Trotzdem blieb seine Hand unter Wasser und Mone lächelte, als sie sich wieder zurücklehnte und etwas tiefer rutschte.
Als hätte ich durch den Joint einen Röntgenblick bekommen, sah ich durch das abgeblätterte Email hindurch ins Wasser. Ich sah Gereons Hand, auf der sich die kleinen dunklen Härchen im Wasser bewegten. Grünlich umspült sah ich Mones Schenkel, tiefer sah ich, Gereons Hand folgend, die ersten kupferfarbenen Schamhaare. Gereons Hand tastete sich vor, den Ring mit dem angewinkelten kleinen und dem Ringfinger festhaltend, sie fanden die Rinne, die Fältchen, strichen nur mit der Kuppe auf und ab, drangen tiefer ein. Der Daumen legte sich wie eine Abalone auf Mones Kitzler und drückte ihn sanft.
Dann schloss sich das Email wieder vor meinem Blick, und ich sah Mones entrücktes Lächeln, ihre stille Hingabe, ihre Hand auf der fleischigen Narbe, die ich nicht hatte berühren dürfen. Ich ertrug es nicht mehr. Der Ring war nicht echt gewesen, ein Glasstein, ungewöhnlich zwar und mein liebstes Schmuckstück, aber nicht unersetzlich. Ich beschloss, ihn als Lehrgeld zu betrachten, mich nie wieder in eine Ehe
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