Feuchtes Verlangen - Wie alles begann
des Tages. Ihre Silikonbrüste standen wie eine Eins. Auch die Augen des Pfarrers blieben regelmäßig am Dekollete kleben.
›Ob man dafür einen Waffenschein braucht?‹
Schon wieder war sie nicht bei der Sache. Vielleicht, weil sie sich fragte, wie viel sie selbst in ihrem Leben versäumt haben mag – besser gesagt: Ihr vorenthalten wurde.
Die Sex-Bilanz ihrer Ehe mit Markus fiel ernüchternd aus. Das Liebesspiel war langweilig und einfallslos, wenn es überhaupt dazu kam. Meist sahen sie sich nur am Wochenende. Dann war er zu erschöpft, um mit ihr zu schlafen. Seine Kanzlei beriet Konzerne bei deren Verschmelzung, doch für eine Verschmelzung mit seiner Frau reichte die Power nicht mehr aus. Mit Kindern wollten sie noch warten, doch manchmal fragte sich Lina, wozu sie überhaupt die Pille nahm.
Viele Male hätte sie die Gelegenheit zu einem Seitensprung gehabt. Zum Beispiel mit Alessandro, ihrem Personal Trainer. Er sollte sich um ihren schlimmen Rücken kümmern. Für Linas Geschmack interpretierte Alessandro diesen Auftrag sehr freizügig, denn er schien keine Gelegenheit auszulassen, ihre Lust zu wecken. Die Hände des diplomierten Ergotherapeuten und Sportwissenschafters konnten wahre Wunder wirken, doch sie kannten keine Grenzen. Immer näher rückte er ihren erogenen Zonen – kräftig, ölig und warm – bis Lina die Reißleine zog und einen Vorwand fand, um Alessandro nach Hause zu schicken. So ging es einige Male. Dennoch engagierte sie ihn weiter. Was sie ihm niemals sagte, war, wie heiß und feucht er sie mit seinen Annäherungsversuchen machte, wie gerne sie seinen einladenden Bewegungen nachgegeben hätte, und wie oft sie nachher ihren Vibrator aus dem Geheimversteck holte, um die aufgestaute Lust in einem heimlichen Orgasmus herauszustöhnen.
Sie hielt es mit dem Eheversprechen wie mit ihrem Gelübde »Kein Sex vor der Ehe«: Schwüre sind heilig. Eine Einstellung, die garantiert mit ihrer Kindheit zu tun hatte, doch geforscht hat sie nie danach. Von verbotener Selbstbefriedigung war weder im Aufsparen für die Ehe noch im Eheversprechen selbst die Rede gewesen. Über die Jahre wurde sie zu einer wahren Expertin. Wenn sie wollte, konnte sie binnen zwei Minuten kommen, ohne dass es jemand bemerkte. Ihre außergewöhnlichsten Höhepunkte erlebte sie in Kinos, an dunklen Straßenecken und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der »Massagestab«, den sie sich heimlich im Internet bestellte, um zu Hause entspannter zum Höhepunkt zu kommen, verbrauchte zeitweise mehr Batterien als eine Kompanie Duracell-Bunnies, wie sie mit sich selbst zu scherzen pflegte.
Ja, sie war einsam und chronisch unbefriedigt. Und nein, Masturbation und technische Hilfsmittel konnten ihr Verlangen nicht mehr stillen. Sie wusste: Das Leben musste mehr bereithalten. Sie wollte danach suchen.
Lina war so sehr in ihre deplatzierten Gedanken versunken, dass sie das Ende der Trauerfeier gar nicht bemerkte. Ihre Schwiegermutter, Henriette von Leb, packte sie am Oberarm und zog sie auf die Beine. Es war Zeit, als Erste in der Gefolgschaft den Sarg ihres Mannes zum Grab zu begleiten. Noch wichtiger war es Henriette aber, dass die Witwe Haltung bewahrt, wie es die Etikette vorschreibt.
Lina fühlte sich schuldig und verdorben, weil sie nur an sich und ihre unbefriedigten Bedürfnisse dachte, während Markus zu Grabe getragen wurde. Andererseits hatte sie allen Grund dazu, ihren Mann zu verabscheuen. Wie sie zwei Tage zuvor erfahren hatte, war er ein Schwein.
KAPITEL 2
Obwohl sich das Ehepaar nur selten sah und ihre Liebe längst dem abgeklärten Alltag gewichen war, stürzte Lina die Todesnachricht in tiefste Verzweiflung.
Sie wurde von einem Beamten des Auswärtigen Amtes verständigt. Markus habe anlässlich einer Due-Diligence-Prüfung für eine Unternehmenszusammenführung in Shanghai plötzlich einen Herzinfarkt erlitten und hätte nicht mehr rechtzeitig in ein Krankenhaus gebracht werden können. Obwohl er mit 32 Jahren eigentlich viel zu jung für einen Herzinfarkt war, glaubte sie die Geschichte. Doch sein Vater, Helmuth von Leb, gab sich nicht mit dieser Erklärung zufrieden. Er wollte genau wissen, was mit seinem Stammhalter, noch dazu seinem einzigen Nachkommen, geschah.
Mit dem nötigen Nachdruck gelangte er an den Obduktionsbericht. »Tod durch Ersticken« stand darin. Markus’ Körper zeigte Spuren äußerer Gewalteinwirkung. Er war zum Zeitpunkt seines Todes gefesselt und geknebelt. Kurz zuvor
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