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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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noch klein und nett war, hat sie sofort herzzerreißend geschrien. Sie hat mir dann erklärt, die Muskeln an der Stelle seien seit Jahren so angespannt, dass schon eine leichte Berührung sich für sie so anfühlt, als packe man in eine offene Wunde. Ist aber kein Grund für meine Oma, auch nur irgendetwas dagegen zu unternehmen. Sie lässt sich einfach beim Änderungsschneider alle Ärmel direkt an den Kragen der Bluse nähen, weil sonst ein riesiges Stück rosageblümter Schulterstoff überhängen würde. Wenn ich nicht so enden will, muss ich mir was überlegen. Was weiß ich denn, wie man das verhindert. Turnen? Sich von der Familie trennen? Massagen?
    Wegen meiner Rückenverletzung habe ich Massagen verschrieben bekommen. Das Erste, was ich die wechselnden Masseurinnen frage, ist, ob sie Erfahrungen mit Männern haben, die beim Massieren einen Ständer kriegen.
    Bis jetzt hat jede Ja gesagt. Ich tarne dieses Gespräch immer so, als hätte ich Mitleid mit ihnen, und tue genauso empört wie sie über die Latten.
    Ach, die Männer wieder. In Wirklichkeit will ich aber Geschichten hören, die mich aufgeilen. Was denken die denn?
    Wie soll ein Mann keinen Ständer kriegen, wenn eine Frau ihm in unmittelbarer Nähe von Sack und Schwanz rummassiert, zum Beispiel am Oberschenkel. Ich werde davon auch feucht. Nur, bei Frauen sieht man die Aufregung nicht.
    Damit fange ich an. Ich nehme es selber in die Hand, nicht so zu enden wie Oma. Wenn ich hier entlassen werde, mache ich Massagetermine für mich.
    Wo ist Robin? Ich höre ihn im Duschzimmer rumoren. Kann es sein, dass er sich Sorgen um mich macht? Ich habe schon einige starke Mittel intus, vielleicht muss er von offizieller Stelle auf mich aufpassen. Könnte doch sein.
    Wann habe ich überhaupt das letzte Mal gegessen?
    Ist mir egal. Ich will nur Schmerztabletten essen. Sonst nichts. Der Arschschmerz wird immer schlimmer. Alles im Kopf dreht sich.
    Oma kann übrigens bestimmt gut auf der Seite liegen. Normal breite Schultern stören doch sehr beim auf der
Seite Liegen. Wenn sie auf der Seite liegt, geht es in einer geraden Linie vom Ohr direkt den Arm runter. Eigentlich viel gemütlicher so. Vielleicht mach ich doch keine Massagetermine aus. Ich guck mir erst Oma noch mal genau an. Dann entscheide ich.
    Robin kommt wieder an mein Bett.
    »Ist es sehr schlimm?«
    »Ja.«
    »Nach meiner Erfahrung müsste es dir aber spätestens heute Abend wieder besser gehen. Morgen kommst du bestimmt schon ohne Schmerzmittel aus, und wenn du dann einmal Stuhlgang ohne Blutung hattest, darfst du bestimmt gehen.«
    Das kann nicht wahr sein. In diesem Zustand würden die mich nach Hause schicken? Das macht meinen Plan kaputt. Endgültig. Ich hatte ihn aber eigentlich schon vorher kaputt gemacht. Sinnlos. Das alles.
    »Nach Hause? Schön.«
    Scheiße.
    Robin, ich will nicht nach Hause. Und ich hatte schon Stuhlgang. Ich habe euch alle verarscht. Entschuldigung. Wegen meiner schlimmen Familie. Ich kann nirgendwohin. Ich muss hier bleiben. Für immer.
    Ich möchte nicht, dass Robin geht.
    So kann ich mich mit einem Gespräch von meinen Schmerzen ablenken, bis die Mittel wirken.
    »Robin, darf ich dir was Geheimes zeigen?«
    »Oje. Was denn, Helen?«
    »Nicht, was du denkst.« Klar. Meinen Ruf habe ich bei ihm weg. »Hat nichts mit Arsch oder nackt oder so zu tun. Meine kleine Familie will ich dir zeigen.«
    Er guckt irritiert, nickt aber.
    Ich drehe mich zur Fensterbank und hebe die Bibel hoch.
    »Was ist das?«, fragt er.
    Ich klappe die Bibel zu und lege sie neben mich aufs Bett.
    Ich halte ihm ein langes Referat über mein Hobby, das Avocadobaumzüchten.
    Er hört ganz aufmerksam zu. Damit halte ich ihn sehr lange bei mir im Zimmer. Für diesen Moment muss ich ihn nicht mit anderen Arschpatienten teilen.
    Als ich langsam mit meinen Ausführungen zum Ende komme, zieht er seine weißen Gesundheitsschuhe aus und klettert auf mein Bett. Er guckt sich die Kerne sehr genau aus der Nähe an. Das macht mich ganz glücklich. So hat sich vorher noch nie jemand dafür interessiert.
    Er sagt, dass er das zu Hause auch mal ausprobieren will. Dass sie sehr schön aussehen.
    »Wenn du willst, kannst du dir einen aussuchen und mit nach Hause nehmen.«
    »Nein, das geht nicht. Da steckt so viel Arbeit von dir drin.«
    »Ja. Und deswegen sollst du einen haben.«
    Er zögert. Er überlegt bestimmt grad, ob er das darf. Sehr pflichtbewusst und gesetzestreu, der Robin, habe ich den Eindruck.
    »Also gut.

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